Das niederländische Unternehmen Fairphone war bisher nur als Nischenanbieter bekannt. Wenn es überhaupt bekannt war. Kaufen konnte man seine Produkte, die gleichnamigen Smartphones Fairphone 1 und 2, nur direkt von der Webseite. Nun soll das fair hergestellte Smartphone auch verstärkt über konventionelle Anbieter vertrieben werden.
Seit Anfang August kann man beim deutschen Mobilfunkprovider 1&1 das Fairphone 2 inklusive gewünschtem Mobilfunktarif erwerben. Mit diesem Vorgehen soll eine größere Sichtbarkeit generiert werden. Vertriebstechnisch gesehen ist das ein logischer Schritt. Doch was bedeutet der kommerzielle Vertrieb nun für die Reputation von Fairphone? Und beeinflusst die Kooperation den Ruf von 1&1?
Solange alle Ideale tatsächlich erfüllt werden, kann ein Produkt wie das Fairphone eigentlich nur eine positive Reputation haben. Der Anspruch, Smartphones ausnahmslos nachhaltig und ökologisch herzustellen, ist das Leitkonzept des Unternehmens: „Dieses qualitativ hochwertige Smartphone gibt uns die Möglichkeit, hinter die Prozesse zu blicken, und regt zum Nachdenken darüber an, was fair wirklich bedeutet. Von konfliktfreien Mineralien bis zu fairen Löhnen – Schritt für Schritt setzen wir Verbesserungen um. Wir wollen die Smartphoneindustrie dazu inspirieren, auf eine bessere Weise Geschäfte zu machen und du unterstützt dies mit dem Kauf eines Fairphones.“ (Quelle: www.fairphone.com/de/)
Würde sich etwas Gegenteiliges herausstellen wäre das ein Supergau und der Schaden wohl nicht wieder gut zu machen – die Glaubwürdigkeit wäre dahin. Doch bis jetzt hält das Fairphone anscheinend, was es verspricht. Nach erfolgreicher Umsetzung der Idee, soll nun auch die Reichweite erhöht werden. Mit 1&1 hat man sich einen der größten Anbieter ausgesucht. Der Vorteil ist, dass sich Fairphone nun nicht mehr ausschließlich selbst um den Vertrieb kümmern muss. Jetzt ist auch die große Masse erreichbar, der das faire Smartphone vorher vielleicht noch gar nicht bekannt war. Viele werden wohl neugierig werden, wenn sie sich auf der Webseite von 1&1 über die neuesten Modelle informieren.
Das Problem bei der Sichtbarkeit: Setzt man anspruchsvoll die Suchfilter ein, verschwindet das Fairphone schnell aus der Auswahl, da es technisch nicht mit den Großen wie Apple oder Samsung mithalten kann. Das ist auch nicht der Anspruch, aber das Fairphone müsste prominenter beworben werden, um breite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Wenn man die Reputationsfaktoren des Fairphones überprüft, sorgt zunächst das Management durch konsequente und erfolgreiche Umsetzung ihres Ideals für einen sehr guten Wert. Auch der Aspekt Produkte und Services folgt wie beschrieben glaubwürdig der Firmenphilosophie und zahlt damit positiv auf den Ruf des Fairphones ein. Vor allem beim Reputationsfaktor Nachhaltigkeit ist das Fairphone selbsterklärend besonders stark. Als Arbeitgeber tut sich der Hersteller mit seiner Innovationsfähigkeit hervor. Dem wirtschaftlichen Erfolg soll nun auf die Sprünge geholfen werden. Wenn der Plan aufgeht, stützt auch dieser Bereich in Zukunft stärker die Reputation. Bislang wirkt dieser Faktor des Nischenprodukts noch wenig.
Dass das Fairphone jetzt mit den „herkömmlichen“ Smartphones auf einer Plattform im direkten Vergleich steht, unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Absichten. Auch für die bisher in den Mittelpunkt gestellte Strategie zumindest zum Nachdenken anzuregen und etwas in der Branche zu bewegen – wenn man schon nicht den Massenmarkt auf seine Seite ziehen kann – ist diese Wettbewerbsbereitschaft ein Vorteil. Der Beweis, dass das Produkt im kommerziellen Vertrieb angekommen ist, zeugt zudem von einem gesunden Wachstum und Ehrgeiz, die Vision fortzuführen.
Auch für die Reputation von 1&1 dürfte das Aufnehmen des Smartphones ins Portfolio ein Gewinn sein. Der Anbieter zeigt damit Aufgeschlossenheit für Nischenprodukte und spricht eine wachsende Zielgruppe an: die Umweltbewussten, die sich nicht mehr mit der Macht der profitgetriebenen kommerziellen Hersteller zufrieden geben wollen. Dass Apple und Samsung regelmäßig mit Vorwürfen über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen für die Herstellung zu kämpfen haben, ist bekannt. 1&1 bietet nun eine Alternative „direkt an der Quelle“ an. Zum Nachdenken regt das bestimmt die Meisten an, die erkennen: es ist tatsächlich möglich, umwelt-, menschenfreundlich und nachhaltig zu produzieren. Das Fairphone bietet zwar keine High-End-Technik, aber dafür liefert es andere, moralisch vertretbare Vorteile. Das wird, wenn nicht konsumiert, zumindest respektiert und das hilft der Reputation auf jeden Fall.
Lisa Hyna
Lesen Sie diese Woche bei Mediengau: Wie sich Rückgrat im Olympia-Skandal lohnt
Das Fairphone liefert vielleicht keine Technik, die man im iPhone 7.0 findet. Genial ist aber, dass das Gerät auch mit Blick auf einen einfache Reparierbarkeit gebaut worden ist. Das Display beispielsweise kann jeder zuhause auswechseln und muss das Smartphone nicht in die Reparatur geben.