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Kaeser & der Klima-Killer Kohle

Siemens hält an umstrittenem Kohleprojekt fest: Richtig so oder Desaster für die Reputation?

Siemens stellt Umsatz vor Umwelt“, „Obergauner dieser Republik“, „moralisches Fehlverhalten“, „Siemens-Chef steht als Maulheld da“, „Rufschaden dürfte größer sein als Vertragsstrafen“ – Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser muss viel Kritik für die Entscheidung einstecken, dass Siemens sich weiterhin am umstrittenen Carmichael-Kohleminen-Projekt des Adani-Konzerns in Australien beteiligt.

War diese Entscheidung also ein Fehler, ein Desaster für die Reputation von Siemens?

Ich sage: Nein. Unter den gegebenen Umständen hat Kaeser im Hinblick auf die Reputation seines Unternehmens genau richtig gehandelt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Den Auftrag überhaupt anzunehmen, war zweifelsfrei eine schwere Fehlentscheidung, die tatsächlich „aus dem Jahrhundert gefallen“ ist. Sich an einem Projekt zu beteiligen, dass „die Land-Rechte der Ureinwohner mit Füßen tritt, knappe Wasservorkommen in von Dürre geplagten Regionen auszehrt, das schon angeschlagene Great Barrier Reef gefährdet und den Treibhauseffekt weiter befeuert“ zeugt von einem Mangel an gesellschaftlicher Verantwortung und Blindheit für die Zeichen der Zeit. Siemens konterkariert damit seine eigenen Markenversprechen: Ein Unternehmen mit der Bestimmung zu sein, der Gesellschaft zu dienen; das sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzt.

Ein Fehler, der auf mangelhaftes Reputation Management zurück geht. Denn offensichtlich wurde das Geschäft vor Abschluss nicht ausreichend auf Reputationsrisiken geprüft (oder diese wurden bewusst ignoriert) und ließ Siemens in eine gefährliche Erwartungs-Realitäts-Lücke stolpern.

Anscheinend wurde der Vorstand erst durch die Proteste von Klimaschützern auf diese „Leiche im Keller“ aufmerksam. Zu spät, um jeglichen Schaden an der Reputation zu verhindern – zu diesem Zeitpunkt konnte die Mission nur noch lauten: Schaden begrenzen.

Und das haben Kaeser und seine Vorstandskollegen den Umständen entsprechend bestmöglich geleistet. Dass sich der Konzern-Vorstand an einem Wochenende außerordentlich versammelt, um abzuwägen, ob das vergleichsweise kleine Geschäft durchgeführt oder abgebrochen wird, zeigt, dass die Firmenlenker die Kritik ernst nehmen. Kaeser räumt in seiner (zum Ende hin etwas zu) ausführlichen Stellungnahme ein, dass sich Siemens der Problematik des Projekts nicht ausreichend bewusst war („we should have been wiser about this project beforehand“).

Aber beim Reputation Management müssen alle Stakeholder angemessen betrachtet und berücksichtigt werden. Und dazu gehören auch die Kunden – die zu Recht von Siemens erwarten, dass geschlossene Verträge eingehalten werden. „Umweltzerstörend“ und „unzuverlässig“ sind beides rufschädliche Eigenschaften – und es gab für Siemens zu diesem Zeitpunkt keinen Ausweg mehr, mit dem sich beides vermeiden ließe. In so einem Fall muss das Management abwägen: An welcher Stelle ist der Schaden größer?

Diese Abwägung hat der Siemens-Vorstand verantwortlich durchgeführt und kommuniziert. Und im Hinblick auf die Umweltschädlichkeit ist Siemens‘ Rolle bei der Kohlemine doch eher klein. Siemens liefert Signaltechnik für die Bahn, die die geschürfte Kohle von der Mine bis zum Güterhafen Abbot Point in der Nähe des Great Barrier Reefs transportieren soll. Siemens profitiert somit zwar von der neuen Kohlemine – macht sie aber nicht erst möglich. Das bedeutet umgekehrt: Mit dem Rückzug aus dem Projekt kann Siemens den Umweltschaden nicht verhindern. Die Auswirkung wäre an dieser Front gering, hätte in erster Linie lediglich Symbolcharakter. Für das Kundenvertrauen wäre Vertragsbrüchigkeit hingegen ein schwerer Schlag.

Deshalb muss in diesem konkreten Fall die Nachhaltigkeit hinter der Verlässlichkeit zurückstecken. Wichtiger ist in Bezug auf Nachhaltigkeit, dass sich der gleiche Fehler nicht wiederholt. Und auch dies geht Kaeser in seinem Statement an: Es enthält die Ankündigung, fortan externe Experten in den Nachhaltigkeitsausschuss bei Siemens zu berufen – und diesem die Befugnis zu verleihen, aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten fragwürdige Geschäfte zu stoppen.

Allerdings: Die Ankündigung allein wird es nicht richten – mittelfristig entscheidend für die Reputation von Siemens ist, dass dieser Ankündigung auch Taten folgen. Und dass die Maßnahmen dann auch tatsächlich die versprochene Wirkung zeigen.

 

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

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Roland Heintze
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