Mancher Mitarbeiter hinterfragt zuweilen die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit, besonders oft an einem Montagmorgen. Sinnsuche gibt es auch bei Unternehmen, allerdings hat diese in der Regel einen anderen Hintergrund. Einen Begriff gibt es dafür auch, in diesem Fall sprechen wir vom Purpose.
Laut einer Erhebung von Faktenkontor und der dpa-Tochter news aktuell legen 63 Prozent der Unternehmen Wert auf Purpose. Allerdings hat ihn weniger als die Hälfte definiert, und weniger als ein Drittel überprüft ihn. Macht die Suche nach dem Sinn vielleicht doch keinen Sinn? Bevor wir diese Frage klären, sollten wir aber erst einmal erläutern, was genau hinter dem Begriff Purpose steht, der sich seit einigen Jahren anschickt, den guten, alten Shareholder Value als Maß aller Dinge abzulösen.
Da machen wir einfach was mit Frauen und Nachhaltigkeit
Die Verlockung ist groß, sich vom Buffet der Worthülsen und PR-Häppchen zu bedienen und sich ein paar Klassiker auf den Teller zu legen. Eine große Portion Nachhaltigkeit, ein Löffel Klima, ein schönes Stück Gleichberechtigung, und, wir haben das Jahr 2022, noch ein wenig Diversity. Fertig ist der Purpose. Sollte doch jedem schmecken, oder etwa nicht?
Ein kurzer Blick auf verschiedenste Unternehmensseiten im Netz scheint die These des bunten Buffet-Tellers zu bestätigen. Das Problem ist aber die Glaubwürdigkeit. Nehmen sie einem Eisenerzkonsortium die Sache mit der Nachhaltigkeit ab, oder einem Stahlwerk seinen glühenden Einsatz für Diversity? Wohl kaum. Denn einen Purpose zu finden, ist zwar keine Heldenreise wie in einem klassischen Drama, aber dennoch ein Prozess, der sich nicht zwischen zwei Meetings erledigen lässt. Vielmehr braucht er Zeit und ein gehöriges Maß an Selbstreflexion.
Purpose ist individuell
Bei der Suche nach dem tieferen Unternehmenssinn müssen Firmen in sich gehen und für sich selbst einige Fragen beantworten. Doch welche sind das? Hier ein paar Eckpunkte:
- Welche Daseinsberechtigung hat unser Unternehmen, von einer guten Bilanz abgesehen?
- Worin sind wir besonders gut?
- Welche Überzeugungen teilen wir?
- Welche Werte treiben unser Handeln an?
- Welche Probleme lösen wir für unsere Kunden und die Gesellschaft?
- Wie können wir uns als Unternehmen weiterentwickeln?
- Wie können wir die besten Talente für uns gewinnen (und halten)?
Dabei ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein. Es macht keinen Sinn, den Purpose darauf aufzubauen, worin man gut sein möchte. Vielleicht möchte Volkswagen ja gut darin sein, Flugzeuge zu bauen. Zu wissen, dass man gute Autos baut und das in den Purpose aufzunehmen, ist aber zielführender. Heißt: Purpose ist kein Wunschkonzert, die Ziele sollten realistisch sein.
Der Purpose steht, aber was jetzt?
An der kurzen Checkliste erkennt man, dass die Sinnsuche zu mehr gut ist, als einfach die Firmenhomepage mit blumigen Worten zu füllen und mit ein paar hübschen Stockfotos zu garnieren. Der Purpose erfüllt einen Zweck, welcher, korrekt umgesetzt, auf den Firmenerfolg einzahlt. Zuallererst schärft er das Unternehmensprofil. Wer nicht gerade über ein Monopol verfügt, muss sich von seinen Mitbewerbern absetzen. Preis und Qualität des eigenen Produktes sind schon lange nicht mehr die alleinigen Faktoren für eine Kaufentscheidung. Auch für das Recruiting spielt ein klarer Unternehmenssinn eine Rolle. Wenn es um die Jagd nach Talenten geht, reicht ein großer Gehaltsscheck nicht mehr aus. Besonders junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bevorzugen Unternehmen, deren Purpose den eigenen Werten entspricht. Wer sich hier also klar positioniert, hat beim Wettstreit um neue Talente die Nase vorn. Wir fassen zusammen: Wer seinen Purpose schlüssig und vor allem ehrlich definiert, verschafft sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz und auf dem angespannten Markt für Fachkräfte. Der Purpose macht also Sinn.
Das mit dem Purpose ist doch ein Selbstläufer, oder nicht?
Nein. Definitiv nicht, und damit sind wir bei der letzten Zahl der Umfrage. Denn nur 32 Prozent der Unternehmen, die einen Purpose definiert haben, messen auch dessen Erfolg. Warum das ein Problem ist? Weil es um Glaubwürdigkeit geht. Wer Ziele definiert, muss auch überprüfen, ob sie erreicht werden bzw. realistisch sind. Siemens schreibt sich Klimaschutz auf die Fahnen und baut gleichzeitig Kohlekraftwerke in China und Indien? Passt nicht zusammen. Siemens baut aber auch Turbinen für Wind und Wasserkraft, aber niemand hat es erfolgreich kommuniziert? Ganz schlecht.
Gefragt ist jetzt eine schlüssige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine gute (exklusive) Content-Basis, um die eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Purpose zu untermauern. Wer Erfolge nicht verkündet, über keine eigene (Zahlen-)Expertise zu seinem Herzensanliegen verfügt und zu Misserfolgen schweigt, der hat ein Problem. Das gilt sowohl für die interne als auch für die externe Kommunikation. Unablässig sind daher eine klar definierte, umfassende Kommunikationsstrategie, der passende Content und der Wille, den selbst gesetzten Purpose regelmäßig zu überprüfen. Dazu zählt auch der Wille, diesen gegebenenfalls radikal zu überdenken. Damit sind wir abschließend bei einem schönen Wort aus unserer Sprache, dem Zeitgeist. Denn an diesem muss sich auch der Purpose eines jeden Unternehmens messen lassen. Macht Sinn, oder?
Roland Heintze
www.reputationzweinull.de
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