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Wie man eine gute Idee für eine PR-Studie in den Sand setzt

Auf die Studie, die ich heute besprechen will, hatte ich mich eigentlich sehr gefreut – sie behandelt ein für die Schnittmenge von PR und Social Media interessantes Thema, und verspricht für den PR-Alltag spannende und hilfreiche Ergebnisse.

Als ich den Berichtsband selbst dann vorliegen hatte, wandelte sich die Freude leider in eine Enttäuschung – denn die Studie „Leserkommentare – Welchen Einfluss haben sie auf die Berichterstattung der Medien?“ des ECCO-Agenturnetzes in Zusammenarbeit mit newsroom.de weist einfach zu viele handwerkliche Mängel auf, um nützlich zu sein.

Für die Studie befragte ECCO Journalisten, die entweder Abonnenten des Newsletters von newsroom.de sind oder mit ECCO-Agenturen in Kontakt stehen. Das allein möchte ich nicht ankreiden – aber folgende zwei Sätze nehmen der Studie dann gleich zu Anfang jegliche Glaubwürdigkeit: „Insgesamt haben sich 328 Journalisten aus verschiedenen Ressorts und Hierarchie-Ebenen an der Umfrage beteiligt. Damit kann das Ergebnis als durchaus repräsentativ bezeichnet werden.“

Wer auch immer diesen Satz geschrieben hat, hat entweder selbst keine Ahnung, welche (strengen) Kriterien eine Stichprobe erfüllen muss, damit die darauf basierende Studie als repräsentativ gelten kann – oder der Autor will seine Leser schlicht für dumm verkaufen und sich mit dem für die PR-Wirkung wichtigen Siegel „repräsentativ“ schmücken, ohne es sich zu verdienen.

Damit erzielt der Satz bei mir genau das Gegenteil der (vermutlich) beabsichtigten Wirkung: Statt die die Studie für besonders wichtig und vertrauenswürdig zu halten, schaue ich jetzt genauer hin. Jeder weitere Schnitzer fällt umso deutlicher auf, und mit jedem, den ich finde, wächst meine Ablehnung.

Zum Beispiel: Direkt unter der Repräsentativitäts-Behauptung folgen zwei Grafiken zur Zusammensetzung des Panels.

 

Leserkommentarstudie-Zusammensetzung
Quelle / ©: www.ecco-network.de / EC Public Relations GmbH

 

 

Nicht nur, das mit lediglich 4,2 Prozent verdächtig wenig der angeblich so repräsentativ zusammengesetzten Befragten bei Radio und Fernsehen arbeiten – die Befragten werden anschließend in fünf Mediengruppen eingeteilt, die ausschließlich Tageszeitungen, Zeitschriften und Online-Medien enthalten. Wo wurden denn da die Rundfunkjournalisten zugeordnet, und warum? Wo würde ein Journalist landen, der für eine Wochenzeitung wie „Die Zeit“ arbeitet?

Auch mit den so erhobenen Zahlen nimmt es die Untersuchung offensichtlich nicht ganz so genau. Auf Seite 14 führt die Studie auf, inwiefern die Befragten einer Reihe von Thesen zustimmen würden, darunter folgende zwei:

 

Leserkommentarstudie-Thesen

Leserkommentarstudie-Thesen-Legende
Quelle / ©: www.ecco-network.de / EC Public Relations GmbH

 

Laut der Grafik stimmen 37,4 Prozent der Befragten ganz oder teilweise der Aussage zu, dass die Leserkommentare die künftige Berichterstattung beeinflussen, 38,3 Prozent, dass die Kommentare regelmäßig in den Redaktionen besprochen werden.

Wenn das so ist – wie kommt dann diese Aussage im Fazit am Ende der Studie zustande:

„Wenn in immerhin 59,1% der Redaktionen Leserkommentare mehr oder weniger regelmäßig besprochen werden und 58,9% der Antwortenden ihnen Einfluss auf die künftige Berichterstattung zugestehen, kann nicht mehr von einem Randphänomen gesprochen werden.“

So sehr ich mich auch bemühe – mir wird nicht klar, wie aus 15,6 Prozent „stimmt“ und 22,7 Prozent „stimmt teilweise“ unter den befragten Journalisten plötzlich 59,1 Prozent der Redaktionen werden.

(Für Haarspalter: natürlich ist es rein theoretisch möglich, dass sich die 38,3 Prozent der zustimmenden Journalisten auf 59,1 Prozent der Redaktionen verteilen – aber nirgendwo in der Studie wird eine derartige Differenzierung auch nur angedeutet. Diese beiden Zahlen werden am Ende des Berichtsbands einfach aus dem Hut gezaubert.)

Was lernen wir daraus?

  1. Eine Umfragen-basierte Studie ist für PR-Zwecke grundsätzlich eine feine Sache – aber man sollte sie von jemandem durchführen lassen, der sich mit so etwas auskennt.
  2. Behaupte nie, eine Umfrage wäre repräsentativ, wenn sie es nicht ist.
  3. Nach dem Schreiben und vor dem Veröffentlichen einer Studie kommt das Korrekturlesen. Dabei gilt es nicht nur, auf eventuelle Rechtschreibfehler zu achten – sondern auch darauf, ob die Ergebnisse korrekt und stimmig wiedergegeben wurden.

Roland Heintze
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