Krisen-PR: Bioland stolpert über eigenes Bio-Versprechen
Bio-Bauern haben ihren Tieren Antibiotika verabreicht. Mit Zustimmung des Verbands Bioland. Darunter waren auch so genannte Reserveantibiotika, die bei Menschen eingesetzt werden. Das Bioland-Siegel klebte später trotzdem auf dem Fleisch. Wie Bioland die Sache relativiert, verharmlost, Besserung verspricht – und trotzdem scheitert.
In den Richtlinien von Bioland werden Reserveantibiotika ausdrücklich verboten. Sie werden unter anderem bei Keiminfektionen von Menschen eingesetzt, bei denen andere Antibiotika nicht mehr wirken. Und trotzdem hat der Verband 2014 seinen Landwirten 35 Mal eine Antibiotika-Ausnahmegenehmigung erteilt.
Die Bioland-Pressestelle zieht daraufhin alle Register in der Argumentation:
- Der Vorwurf sei eine überzogene Skandalisierung. Bei 1,6 Millionen Tieren in den Ställen seien 35 Antibiotikagaben extrem wenig. Das Argument verfängt allerdings nicht, denn Bioland hat trotzdem das begehrte Biosiegel auf das Fleisch geklebt. Verbraucher kaufen Ware mit Bio-Siegel, um wirklich sicher zu gehen. Der Versuch, sich als Opfer einer Skandalisierung zu gerieren schlägt damit gnadenlos fehl.
- Es sei allein um das Wohl der Tiere gegangen, denn das Antibiotika-Verbot dürfe nicht zu einem „Therapienotstand“ bei den Tieren führen. „Das heißt es sind nur solche Mittel verboten, für die es eine weniger gefährliche Alternative gibt. Andernfalls müsste erkrankten Tieren eine Behandlung vorenthalten werden, wodurch tierschutzwidriges, unnötiges Leiden erzeugt würde“, argumentiert Bioland in einer Presseinformation. Das ist nachvollziehbar, doch es bleibt die Frage: Warum hat das Fleisch das Bioland-Siegel erhalten?
- Bioland zeigt Einsicht und schreibt seine Richtlinien um. „Es müsste dort stehen, dass Ausnahmen von den Regeln möglich sind“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine“ einen Bioland-Sprecher. Aus Sicht der Verbraucher wird der Sündenfall nicht besser, aber zumindest wird Bioland künftig nicht mehr beim Lügen erwischt. Denn dann wird es heißen: „Seht her, es steht sogar so in unseren Richtlinien!“
Krisenkommunikation scheitert am eigenen Leistungsversprechen
Bioland ist bislang der einzige Verband gewesen, der sich beim Antibiotika-Einsatz freiwillig strengere Regeln gesetzt hat. Alle anderen – auch Vorzeige-Biosiegel wie Demeter – taten das nicht. Hier gilt die EU-Ökoverordnung, und die erlaubt, dass pro Mastdurchgang maximal ein mal behandelt werden darf. Durch den Bioland-Skandal wird nun die Aufmerksamkeit der sensiblen Öko-Kunden auf dieses unschöne Schlupfloch gelenkt. „Oh je, da ist ja doch Antibiotika drin“, wir sich nun mancher erschrecken.
Die Bio-Siegel tappen in eine selbst gestellte Falle: Sie haben die Erwartungen der Verbraucher an die Bio-Ware extrem hochgeschraubt. Wer Bio kauft, will kein Pestizid, kein Herbizid und kein Antibiotika. Natur pur, bitte. Niemals, und sei es noch so wenig. Das ist unrealistisch, aber die Öko-Betriebe haben das vorsichtshalber nicht gesagt. Hätte ja sein können, dass das rasant wachsende Bio-Geschäft Schaden nimmt.
Goldene Regel der Krisen-PR: Sag niemals nie!
Dieses Kalkül ist unklug. Kleinste Vergehen sorgen für einen überzogenen Skandal, weil die Bio-Matadoren sich selber eine ungesunde Fallhöhe geschaffen haben. Würde es nicht genügen, einfach nur zu versprechen, dass Bio-Lebensmittel gesünder sind als konventionelle? Dass weniger Pestizide , Herbizide und Antibiotika eingesetzt werden? Erfahrene Krisenkommunikatoren wissen: Sag niemals nie! Es gibt keine Fleischproduktion für den Massenmarkt, in der nie Antibiotika eingesetzt werden. Dieses Stück Wahrheit täte Bioland & Co. gut.
Jörg Forthmann