Der Tod ist für uns Menschen eine höchst emotionale Angelegenheit. Wir verbinden damit Trauer, Schmerzen und die Angst vor dem Verlust. Für Unternehmen sind Unfälle und Unglücke mit Todesopfern vor allem aber auch eines: eine emotionsgeladene Krise! Erkenntnisse über den gezielten Einsatz von Emotionen in der Krisenkommunikation liefert nun erstmals eine wissenschaftliche Arbeit der Universität Hohenheim.
Katastrophen – wie das Zugunglück bei Bad Aibling oder der bewusst herbeigeführte Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 – treten unerwartet auf. Eine rasche, angemessene Reaktion des Unternehmens ist hier zwingend erforderlich. In den ersten zwei bis acht Stunden stellen Kommunikatoren die Weichen, um das Vertrauen ihrer Stakeholder zu bewahren und negative Auswirkungen abzuwehren.
Veränderte Rahmenbedingungen in der Krisen-PR
Vor allem Soziale Netzwerke geben in der modernen Krisenkommunikation mehr und mehr den Takt vor. Sie sorgen für zusätzlichen Stress, indem sie die Berichterstattung beschleunigen. Zeitgleich bieten sie Unternehmen die Chance, in direkten Kontakt mit der eigenen Zielgruppe zu treten. Die Erwartungshaltung der Stakeholder ist entsprechend hoch: Schweigen oder das Hinauszögern einer Reaktion wirkt sich unweigerlich negativ auf die Reputation des Unternehmens aus.
Unternehmenssprecher stehen in Krisen dieser Art vor einer Herausforderung: sie sollen emotional geprägten Enttäuschungen mit rationalen, juristisch belastbaren Argumenten begegnen und gleichzeitig dem sehr hohen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerecht werden.
Bewusste Emotionalität auf Facebook
Aber warum eigentlich keine Emotionen? Dieser Frage ist Linda Behm im Rahmen Ihrer Abschlussarbeit am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim nachgegangen. Ausgehend von der Grundannahme, dass die Kommunikation von Emotionen durch Unternehmen die Wahrnehmung der Stakeholder in Krisenzeiten positiv beeinflussen könnte, stand hierbei die Emotionalität bei der Kommunikation von Germanwings nach der Katastrophe des Fluges 4U9525 im Fokus. Germanwings hatte 36 Beiträge mit inhaltlichem Bezug zum Absturz veröffentlicht – 16 davon mit einer erkennbaren Emotionalität. Durchschnittlich rund 600 Kommentare je Beitrag sind ein Beleg für das hohe Interesse der Öffentlichkeit. Die größte Unterstützung erhielt Germanwings für den Aufruf an die Medienvertreter, die Angehörigen der Opfer nicht mit Presseanfragen zu belästigen. Der Beitrag erreichte in kürzester Zeit mehr als 15.500 Likes. Die Airline zeigte in den emotionalen Beiträgen Mitgefühl, Trauer, Dankbarkeit, Wertschätzung und Fassungslosigkeit.
Auch die Deutsche Bahn signalisiert auf Facebook Emotionen in der Kommunikation um das Unglück der Bayerischen Oberlandbahn im Februar 2016. In nur einem einzigen Beitrag bringt das Social-Media-Team die Situation mit einem Zitat des DB-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube auf den Punkt: „Ich danke ausdrücklich den Rettungskräften und Helfern für ihren großen Einsatz in diesen schweren Stunden. Wir alle bei der Deutschen Bahn sind tief bestürzt und erschüttert über den furchtbaren Unfall, bei dem zehn Menschen ihr Leben verloren haben und weitere zum Teil auch schwer verletzt worden sind. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Verletzten und den Angehörigen und Familien der Opfer.“
Wie auch bei Germanwings ist die Kommunikation geprägt von den Emotionen Dankbarkeit, Fassungslosigkeit, Mitgefühl und Trauer.
Chancen und Risiken der Emotionalität
Der Einsatz von Emotionen in der Krisenkommunikation wird von Experten höchst ambivalent betrachtet und muss bei jeder Krise individuell überdacht und dosiert werden. Emotionen sind in den angeführten Beispielen ein Instrument guter Krisenkommunikation. Sie vermitteln Authentizität und Glaubwürdigkeit. Emotionalität schafft eine Symmetrie im Dialog mit der Zielgruppe. Die Reaktion der emotional gesteuerten Öffentlichkeit, auf eine rein sachliche Kommunikation der Konzerne, möchte man sich lieber nicht ausmalen.
Neben den offensichtlichen Vorteilen warten jedoch auch Risiken. Vorschnell veröffentlichte Versprechungen lassen sich ohne den Verlust der Glaubwürdigkeit kaum rückgängig machen. Auch der richtige Ton emotionaler Kommunikation ist nicht leicht zu treffen. Stakeholder erkennen die bloße Instrumentalisierung emotionaler Motive und strafen das Unternehmen folgerichtig ab. Zudem besteht immer die Gefahr juristischer Folgen durch ein subsidiäres Schuldeingeständnis.
Wie so häufig kommt es bei der Krisenkommunikation auf das richtige Maß und die individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Krise an. Germanwings und die Deutsche Bahn konnten die Kommunikation mit Emotionalität zu ihren Gunsten beeinflussen, ohne einen Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit zu provozieren.
Die von Behm interviewten Experten sind sich einig, dass Emotionalität eine zunehmende Relevanz für die Krisenkommunikation gewinnt. Dabei betonen sie stets die Kombination von sachlichen und emotionalen Inhalten. Kommunikatoren sollten sich frühzeitig mit den Möglichkeiten der Emotionalität befassen, und Handlungsoptionen für potentielle Szenarien entwickeln. Die Emotionalität ist nicht immer das Maß aller Dinge. In richtiger Dosierung kann ein Unternehmen in der Krise dennoch stark von ihr profitieren.
Florian Hering