Wie Lügen Unternehmen in die Krisen stürzen – und wie Sie da wieder raus kommen
Dieses Bild ist um die Welt gegangen. Ein Eisbär schleppt sich mit letzter Kraft durch die Landschaft, kurz vor dem Sterben. Das sei der Klimawandel, stellt der Biologe und Fotograf Paul Nicklen fest, und so wird der Bär zu einer weiteren Anklage gegen alle, die die Welt weiter aufheizen. Dumm nur: Das Klima hat den Bären gar nicht auf dem Gewissen. Es ist ein gutes Beispiel für die Skandalisierung von Fakten. Lesen Sie hier, was Sie aus dem Tod des Bären für Ihre Krisen-PR lernen können.
Dieses Youtube-Video rührt das Herz von Menschen: Es zeigt – so der Biologe und Fotograf Paul Nicklen -, wie ein Bär verhungert und stirbt.
https://www.youtube.com/watch?v=kVxZNl1REEE
Die Ursache für das Sterben des stolzen Eisbären wird gleich mitgeliefert: „This is what climate change looks like.“ Das Klima werde immer wärmer, das Eis gehe zurück und der Bär müsse nun seine Nahrung in Mülltonnen suchen. Kurzum, der Bär ist ein weiterer schrecklicher Beleg dafür, dass der Klimawandel längst da ist und schreckliche Folgen hat. Die Geschichte ist so schön und herzerweichend, dass die Redaktionen massenhaft die Behauptung von Nicklen übernommen haben. Selbst die „Frankfurter Allgemeine“ übernahm die Geschichte ohne kritischen Quercheck, ebenso der „Tagesspiegel“, die Bild-Zeitung, Focus.de und viele mehr.
Die Botschaft von Nicklen ist eindringlich:
„Wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck reduzieren, kann das biologischeGleichgewicht wieder hergestellt werden“
Obwohl so viele, auch seriöse, Medien über den Film berichten, gibt es erhebliche Zweifel an der Schlußfolgerung des Biologen und selbst ernannten Weltenretters. Das berichtet „Die Welt„:
Eisbärexperte Leo Ikakhik beobachtet unter anderem im Auftrag des World Wildlife Fund Kanada seit 2010 die Bären in und um Arviat, einer kleinen Gemeinde an der Westküste der Hudson Bay. Ikakhik hat schon viele Eisbären gesehen. Starke, gesunde Eisbären. Geschwächte Eisbären. Sterbende Eisbären. Ikakhik sagt: „Das ist nicht der Klimawandel. Sollte es sich um ein Einzeltier handeln, wird es eine Erkrankung sein oder eine Verletzung.“ Etwa durch einen Kampf. Danach wird der Bär nicht mehr schnell und stark genug für seine Beute gewesen sein. Oder Darmparasiten, mit derselben Konsequenz. Aber der Klimawandel? Nie im arktischen Leben, jedenfalls derzeit noch nicht.
Weitere Experten melden Zweifel an, so dass „Die Welt“ eine „Schummelei bis zur Skupellosigkeit“ bei dem Einsatz von Tieraufnahmen diagnostiziert.
Auch Unternehmen werden Opfer von Lügen und Fotos oder Videos, die missbräuchlich verfälscht interpretiert werden. Dabei sind gerade Fotos und – noch viel stärker – Videos gefährlich in der Krisen-PR, denn was man sieht, ist wahr. Dem Bären geht es nicht gut, er sucht seine Nahrung in der Mülltonne, und er wird bald sterben. All das ist wahr und mit einem Film belegt. Der letzte Schritt – die Interpretation dieser Bilder – ist dann für die breite Masse auch wahr. Diesen Mechanismus nutzen NGO’s gerne und sehr professionell. Deshalb lohnt sich der Blick in den Werkzeugkasten erfahrener Krisenkommunikatoren, was man in so einem Fall tun kann.
Sind die Aufnahmen wahr?
Bilder und Videos vermitteln den Eindruck, dass sie die Wahrheit zeigen. Aber ist das auch so?
- Zeigen die Bilder das, was behauptet wird? Oder ist es Material, das an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit mit einem anderen Zweck gefilmt wurde? Also Bilder, die neu zusammen kopiert wurden.
- Ist das Material absichtlich so geschnitten, dass es eine Negativaussage stützt, dabei aber andere Tatsachen bewußt ausklammert?
- Sind die Bilder ohne bewußte Beeinflussung entstanden? So berichtete mir ein Landwirt von einem Tag der offenen Tür in seiner Hühnerfarm, zu der auch Journalisten eingeladen waren. Es gab nichts zu beanstanden, aber der Journalist brauchte schreckliche Bilder. Also trieb er die Hühner im Stall dicht gedrängt in eine Ecke, um ein Skandal-Foto machen zu können. Hier griffen allerdings andere Journalisten ein und verhinderten diese Aufnahmen.
Oft genug stellt sich heraus, dass fundierte Zweifel an Foto- und Filmmaterial angebracht sind.
Sind die Fakten wahr?
Nicklen berichtet wie selbstverständlich, dass der Eisbär wegen des Klimawandels keine Nahrung mehr findet. Ist das so? Finden Eisbären heute keine Nahrung mehr, weil sich das Eis zurück zieht. Diese Frage ist erfolgskritisch, denn die Antwort darauf entlarvt möglicherweise den Ankläger der Lüge. Zumindest bei den Eisbären ist der Nachweis derzeit schwierig, dass der Klimawandel schon heute zu Einbußen in der Population führt, die außergewöhnlich sind. Umweltschützer ereifern sich vielmehr in Prognosen, wie verheerend sich das zurückgehende Eis auf die Eisbären auswirken werde. Dabei sind noch nicht einmal die zugrunde liegenden Klimamodelle zutreffend.
Sind die Interpretationen richtig?
Beim sterbenden Eisbären ist der Klimawandel schuld. Diese Aussage aus dem Mund eines Fotografen, der für die angesehene „National Geographic“ arbeitet, ist ein schwer wiegender Vorwurf. Deshalb ist es klug, sich bei anderen Experten nach ihrer Interpretation zu erkundigen und sie als „Weiße Ritter“ in der öffentlichen Diskussion zu nutzen. Denn üblicherweise werden vergleichbare Aussagen, die das Unternehmen selbst macht, ungern geglaubt. Nach dem Motto: „Die lügen, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“
Falls Sie also einem „Sterbenden Eisbären“ in ihrer Krisenkommunikation begegnen, sezieren Sie die Bilder, Fakten und Schlußfolgerungen.
Jörg Forthmann