Bis vor zwei Wochen kannte niemand Frances Black, eine Studentin aus Liverpool. Bis sie eine Online-Petition startete, mit der der Lingerie-Anbieter Victoria’s Secret aufgefordert wird, die aktuelle Werbekampagne zu ändern. Unter dem Titel „The perfect Body“ präsentieren Topmodells die BH-Linie „Body“. Black empfindet das als Herabwürdigung von Frauen. Außerdem würde ein falsches Schönheitsideal vermittelt. Auch wenn Victoria’s Secret klug genug ist, es nicht zuzugeben: Der Dessous-Verkäufer ist dankbar für Black’s Shitstorm. Lesen Sie warum.
Frances Black ist mit ihrer Online-Petition nicht wirklich erfolgreich. 5.000 Unterstützer will sie gewinnen. Bis Donnerstag waren es 3.600. Andere Online-Aktivisten wie Greenpeace sind in diesen Fällen deutlich ehrgeiziger und setzen sich mindestens fünfstellige Zahlen als Ziel. Black twitterte für ihre Online-Petition jedes größere Medium an und erzielte dadurch eine umfangreiche Berichterstattung. So berichteten zum Beispiel der Telegraph und The Independent. Ob das tatsächlich an der verfolgenswerten Absicht der Petition liegt oder am sexy Thema, sei dahingestellt. Victoria’s Secret hat auf jeden Fall eine bemerkenswerte Sichtbarkeit für ihre Body-BH-Kampagne bekommen. Das Motiv mit den zehn Modells verbreitet sich rasant. Der Lingerie-Händler hält sich dezent zurück, äußert sich nicht – und lässt den Shitstorm laufen. Krisen-PR ist nicht nötig. So billig gibt es sonst diese Reichweite nicht. Und schädlich ist Frances Zorn offensichtlich auch nicht.
Für die Krisenkommunikation beunruhigend ist hingegen, dass eine einzelne Aktivistin in der Lage ist, eine derartige Welle loszutreten. Frances Black hat viel Energie in ihre Kampagne investiert. Und sie war klug genug, eine eigene Plattform für ihre Initiative aufzubauen. So hat ihr Thema eine Heimat, und den Journalisten fällt es leichter, die Kampagne zu verorten. Handwerklich sauber gemacht. Dass Einzelne wesentliche Treiber hinter Shitstorms sind, ist durchaus nicht unüblich. Deshalb macht es viel Sinn, bei einer heraufziehenden Empörungswelle im Web frühzeitig die wesentlichen Initiatoren dahinter zu identifizieren und diese nach Möglichkeit zu umarmen. Nach dem Motto: If you can’t beat them, join them.
Jörg Forthmann