Wann müssen in der Krisenkommunikation die Alarmglocken besonders laut klingeln? Und bei welchen Themen ist eher damit zu rechnen, dass sich eine Krise nicht aufschaukelt? Krisenkommunikatoren haben dazu ihr ganz eigenes Bauchgefühl. Jetzt gibt es eine wissenschaftliche Untersuchung, wann Kommunikationskrisen besonders gefährlich für Unternehmen sind. Lesen Sie hier, wo die größten Gefahren lauern. Ein Gastbeitrag von Max Backhaus und Samuel Stäbler, wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität zu Köln unter Leitung von Prof. Dr. Marc Fischer.
„Umweltkatastrophen. Kinderhandel. Weltweiter Produktrückruf. Korruption.“ Der Hygiene-Skandal von Wiesenhof und der Bespitzelungsskandal von Lidl sind nur zwei von jährlich ca. 250 Fällen in Deutschland, bei dem Unternehmen durch die mediale Verbreitung von negativen Informationen massiv unter Druck geraten. Die steigende Komplexität von Produkten, schärfere Standards und Kontrollen sowie eine zunehmende Internationalisierung der Wertschöpfung fördern die steigende Anzahl an solch zu beobachteten Krisen in den letzten Jahren. Obwohl negative Schlagzeilen für den Nachrichtenleser mittlerweile fast alltäglich sind, ist es denkbar, dass sie das Image eines Unternehmens oder einer Marke negativ beeinflussen und somit eine Markenkrise auslösen. Markenkrisen können das Vertrauen und die Bindung von Konsumenten zu einer bestimmten Marke stark beeinträchtigen. Hier setzt die Forschungsarbeit des Seminars für Marketing und Marktforschung der Universität zu Köln in Verbindung mit dem Marktforschungsinstitut YouGov Deutschland an. Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Einfluss verschiedenartiger Krisentypen und Moderatoren auf das Image sowie den Wert einer Marke zu untersuchen.
In der Marketingwissenschaft gibt es bereits eine breite Diskussion bezüglich der Auswirkungen einzelner Marken- oder Produktkrisen auf den Konsumenten sowie die betroffenen Unternehmen. Zwei Kernaspekte bleiben aber bis heute unbeantwortet: Zum einen fehlt eine umfassende Studie bezüglich der Auswirkungen verschiedener Arten von Krisen auf das Image von Unternehmen, sowie insbesondere der zeitliche Aspekt (kurz- versus langfristig) bezüglich der Wirkung von Krisen. Zum anderen gibt es bislang keine empirischen Studien, welche den Einfluss der Unternehmensreaktion in Verbindung mit eben diesen Krisen untersuchen.
Krisenereignisse wurden hierzu aus meinungsführenden deutschen Medien in einem Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2012 aufgedeckt. Für die Erfassung der Markenwahrnehmung wurde der BrandIndex von YouGov verwendet. Er setzt sich aus den Dimensionen Allgemeiner Eindruck, Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit, Arbeitgeberimage und Weiterempfehlungsbereitschaft zusammen und wird täglich erfasst.
Unternehmerisches Fehlverhalten besonders imageschädigend
Die Studie überprüft, ob sich ein Krisenereignis negativ auf den Verlauf der Markenwahrnehmung in den Folgewochen der Krise auswirkt. Zudem wird untersucht, durch welche Faktoren der Effekt einer Markenkrise verstärkt oder abgeschwächt wird. Diese Studie zeigt, dass sich unternehmerisches Fehlverhalten statistisch signifikant negativ auf die Markenwahrnehmung auswirkt und das Image einer betroffenen Marke schädigt. Darüber hinaus wird mithilfe der Regressionsanalyse gezeigt, dass es für das Ausmaß der Krise entscheidend ist, wie stark ein Skandal medial verbreitet wird, um welche Ursache (Krisentyp) es sich handelt, wo das Krisenereignis stattfindet und in welcher Branche das betreffende Unternehmen agiert.
Krisentreiber sind Verstöße gegen Menschenrecht oder faire Arbeitsbedingungen
Negative Schlagzeilen über einen Verstoß gegen Menschenrechte oder faire Arbeitsbedingungen (bspw. Kinderarbeit oder Zwangsarbeit) wirken sich stärker negativ auf die Markenwahrnehmung aus als Umweltangelegenheiten (bspw. Ölkatastrophen) oder Operating Practices (bspw. Preisabsprachen, Steueraffären oder Bestechungen). Die hohe Wertigkeit liegt wohl darin begründet, dass sich vor allem Phänomene, die die Menschenrechte thematisieren, besonders gut emotionalisieren lassen und so stärker negativ mit den Marken verknüpft werden. Krisenereignisse, die in Deutschland stattfinden, wirken sich stärker negativ auf die Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung aus, als Krisen die außerhalb Deutschlands stattfinden. Besonders Krisen, die von Service-Marken ausgelöst werden, wirken sich stark negativ auf den Konsumenten aus. Hier könnten aus krisentheoretischer Sicht isolierte Einzelmarken ohne Corporate Branding lanciert werden, damit die negative Übertragungskraft auf andere Marken unterbunden wird.
Das chinesische Schriftzeichen für Krise setzt sich aus dem Schriftzeichen für „Gefahr“ und „Chance“ zusammen. Dieser Denkanstoß sollte Unternehmen dazu anregen, ihre Chance zu nutzen Gefahren für ihre Marken zu minimieren, indem sie sich ethisch und sozial korrekt verhalten.
Autoren: Max Backhaus und Samuel Stäbler. Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Seminar für Marketing und Marktforschung der Universität zu Köln unter Leitung von Prof. Dr. Marc Fischer.