“If it’s not Boeing, I’m not going”, sagten Flugpersonal und Passagiere einst. Die Vorzeige-Firma aus Seattle im US-Staat Washington war bekannt für zuverlässige Flieger und innovative Ingenieurskunst. Dann stürzten Maschinen ab, Fenster und Türen flogen während des Fluges einfach heraus, Flieger wurden stillgelegt. Boeings blieben am Boden – und mit ihnen sank auch die Reputation der Fima auf einen Tiefpunkt.
Die Werkstoffe für Flieger sind Aluminium, Plexiglas, Stahl und Kunststoff. Doch Flugzeughersteller verkaufen eben vor allem Vertrauen.
Wie sehr das Business an der Reputation hängt, lässt sich am Beispiel Boeing gut ablesen. Boeing und Airbus lagen bei den Flugzeugbestellungen in den vergangenen 20 Jahren meist sehr eng beieinander, Airbus oft nur eine Nasenlänge vorn. Im Oktober 2018 stürzte eine Boeing 737 Max ab, Hunderte Menschen starben. Für Boeing war das auch ein herber Schlag für die Reputation mit deutlich sichtbaren Folgen bei den Bestellungen: 2019 gingen bei Boeing laut Statista gerade mal 246 Orders für neue Flieger ein, Airbus erhielt im gleichen Jahr 1131 Aufträge. Deutlicher kann man Reputationsverlust kaum an Zahlen ablesen. 2023 ging die Schere der Bestellungen (1456 gegen 2319) erneut weit auseinander, für 2024 lässt die Statistik kaum Besseres erhoffen.
Mangelnde Kommunikation war ein Problem von Boeing, um seine verlorene Reputation wieder zurückzugewinnen. Immerhin: Der Konzern bemühte sich nach 2019 um mehr Offenheit. Boeing stellte Updates zur 737 MAX auf eine FAQ-Seite. Auffällig häufig tauchen hier Wörter wie Sicherheit, Kontrolle, Tests, Dokumentation, Protokolle und Inspektionen auf. Dazu wird immer wieder versichert, mit vertrauenswürdigen Institutionen wie der Flugaufsichtsbehörde und den Airlines zusammenzuarbeiten. Es gab allerdings auch den Vorwurf, dass Boeing sich zu sehr hinter den anderen Institutionen verstecken würde, statt selbst zu kommunizieren.
Was Boeing damals an Reputation zurückgewinnen konnte, ging im vergangenen Jahr wieder verloren. Probleme mit der 737 MAX und andere Meldungen mit negativer Tonalität drohen, den ganzen Ruf der Marke dauerhaft zu beschädigen. Dass zuletzt Fenster und Türen im Flug herausflogen, ist verglichen mit den Abstürzen vor Jahren zwar ein kleineres Problem. Doch jede Panne reißt die Wunden der beschädigten Reputation wieder auf. Das kann dauerhafte Narben hinterlassen.
Im Moment geht jede negative Meldung über eine Boeing-Maschine viral und zieht die Reputation weiter nach unten. Ach, schon wieder eine Panne bei Boeing …? Andere Hersteller haben auch Probleme. Doch darüber berichtet kaum jemand. Boeing steckt in einer Negativ-Spirale. Es wird die Firma viel Mühe kosten, ihre Reputation wieder in den Griff zu bekommen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sonnenfeld schrieb in einer Analyse der Universität Yale School of Management (SOM): „Boeings Glaubwürdigkeit wiederherzustellen ist zur wichtigsten und dringendsten Aufgabe des CEO geworden.“ Reputation ist Chefsache – das sollten alle CEOs nicht nur in Krisenzeiten beherzigen.
Der Plan, damit Flieger und Reputation wieder fliegen können, lautet: Mängel in der Produktion und bei den Qualitätskontrollen intern in den Griff bekommen. Sich wieder auf seine Werte zu besinnen und an die genialen Konstruktionen anknüpfen, die den Ruf der Firma einst begründeten. Boeing kann erst wieder an seine Markterfolge anknüpfen, wenn es etwas zu verkaufen hat – und das ist Vertrauen. Finanzielle Höhenflüge können erst (wieder) starten, wenn die Reputation wieder hergestellt ist. Das wiederum geht nur mit solidem PR-Handwerk auf Basis ehrlicher Analyse und glaubwürdigem Handeln.