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Geht der Lotse zu früh von Bord?

Joachim Gauck verkündet Abschied als Bundespräsident – Schaden oder Stärkung der Reputation von Amt und Person?

Die Amtszeiten der letzten beiden Bundespräsidenten endeten unter Umständen, die für das Ansehen des Amtes, vorsichtig ausgedrückt, eher abträglich waren. Und jetzt das: Obwohl besonders beliebt und hoch angesehen, verkündete der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck Anfang diesen Monats, dass wir uns für die Zeit ab kommenden März einen neuen suchen können. Und das zu einem Zeitpunkt, wo das herrschende politische Klima befürchten lässt, dass die Auswahl eines neuen Kandidaten zum parteipolitischen Zankapfel wird. Beschädigt Gauck mit seiner Absage an eine zweite Amtszeit also seine eigene Reputation und die des höchsten Amtes im Staat?

Nein. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Gauck hat seine Worte sehr gut und als Zeitpunkt zumindest den am wenigsten schlechten gewählt. Ihm selbst verhilft dies zu einem zusätzlichen Reputationsschub. Dieser strahlt auch auf die Position an sich aus.

Gaucks Worte in seiner „Erklärung zur Amtszeit” (auf der Webseite des Bundespräsidenten nachzulesen) sind wohl gewählt und klug geordnet – ein Lehrbuch-Stück für gutes Reputationsmanagement. Noch bevor er auf das eigentliche Thema zu sprechen kommt, nicht erneut kandidieren zu wollen, betont er, dass er das Amt seit seiner Wahl vor vier Jahren „mit Respekt und auch mit Freude“ ausübt, und dies bis zum regulären Ende seiner Amtszeit. Damit stellt er klar: Dies ist kein (erneuter) Rücktritt.

Nachdem die Katze aus dem Sack ist, spricht er erstmal nicht von seinen persönlichen Gründen – sondern von denen, die ihm diese Entscheidung schwer gemacht haben. Die guten Seiten des Amtes. Und das sind für Gauck vor allem die Begegnungen und Erfahrungen mit engagierten Deutschen. Er heischt nicht nach Lob für sich selbst – er teilt es aus, spricht mehr über die Bürger als über sich selbst. Auch und gerade in Verbindung mit seinem bisherigen Auftreten wirkt dies konsistent und glaubwürdig.

Doch wenn Bundespräsident zu sein so schön ist – warum macht Gauck dann nicht weiter? Auch hierfür findet er die passenden Worte:

 

Offizielles Portaitfoto Bundespräsident Joachim Gauck
Bundespräsident Joachim Gauck
Bild Quelle / © Bundesregierung/Steffen Kugler

 

„[…] ich bin dankbar, dass es mir gut geht. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Lebensspanne zwischen dem 77. und 82. Lebensjahr eine andere ist als die, in der ich mich jetzt befinde. Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann. Wie man das eigene Alter betrachtet, das ist eine ganz individuelle, ganz persönliche Frage. Ich habe sie für mich nun so beantwortet.“

 

 

 

 

 

Gauck geht nicht, weil ihm das Amt nicht mehr gut genug ist – er geht, weil er fürchtet, in Zukunft selbst nicht mehr gut genug für das Amt zu sein. Dem möglichen Vorwurf der Altersdiskriminierung weicht er dabei geschickt aus. Seine Lesart: Ein 76-Jähriger hat alles Recht, zu sagen, jetzt ist Zeit für den Ruhestand. Gauck fordert nicht, dass andere Leute im selben Alter die gleiche Entscheidung für sich treffen sollten. Aber dass wir seine Wahl verstehen und akzeptieren.

Bleibt noch der Zeitpunkt.

Der mag im Angesicht der aktuellen innenpolitischen Konstellationen nicht gut aussehen. Aber: Es hätte auch keinen besseren gegeben. Gauck musste sich am nächsten Termin für die Bundespräsidentenwahl orientieren – nicht an dem für die nächste Bundestagswahl. Die Erklärung musste früh genug kommen, damit genug Zeit bleibt, geordnet und ernsthaft nach neuen, geeigneten Kandidaten zu suchen. Das wäre nicht mehr gegeben, hätte er länger gezögert. Sich stattdessen früher zu äußern, wäre hingegen ebenfalls keine gute Idee gewesen. Und zwar aus zwei Gründen.

Erstens: Gauck hätte dann nur noch wie ein „Präsident auf Abruf“ gewirkt. Zu früh zu sagen „ich werde nicht weiter machen“ hätte gewirkt wie „ich will schon jetzt nicht mehr“.

Zweitens: Wenn Gauck früher bekannt gegeben hätte, nicht erneut kandidieren zu wollen, hätte die Suche nach einem neuen Kandidaten zwar früher und im Idealfall zu einer günstigeren Zeit beginnen können. Aber das heißt nicht, dass sie auch früher beendet gewesen wäre. Im Gegenteil: Die Diskussion hätte wahrscheinlich einfach nur länger angedauert und so noch länger die Tagespolitik überschattet.

Deswegen: Herr Bundespräsident, schade, dass Sie nicht weitermachen. Aber mit der Art und Weise, wie sie uns den Abschied verkündet haben, haben Sie sowohl Ihre eigene Reputation als auch die des Amtes gestärkt. Das mit dem Nachfolger wird nicht einfach.

Roland Heintze

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Derweil, bei Mediengau: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat nach Ansicht von Jörg Forthmann erkannt, dass die schlechte Reputation eines Kunden auf sie abfärben kann – und schmeißt deshalb ihr FIFA-Mandat hin. Mehr dazu lesen Sie in Krisen-PR: KPMG spielt beim Fußball nicht mehr mit.

 

Roland Heintze
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