„Facebook stirbt“ haben wir vor einiger Zeit vermeldet. Begründet haben wir dies mit unserem Social-Media-Atlas: Demnach ist die Zahl der aktiven Nutzer von 58 Prozent im Jahr 2012 auf aktuell nur noch 38 Prozent gesunken. Alles nicht so schlimm, sagt Sven Bauer, Inhaber der Hamburger Social Media Agentur media makis. Warum, erklärt er im Interview.
1) Laut einer Studie der Princeton-University verliert Facebook bis zum Jahr 2017 80 Prozent seiner Nutzer. Vor allem die Jüngeren kehren dem sozialen Netzwerk den Rücken. Droht Facebook ein ähnliches Schicksal wie MySpace und StudiVZ?
Bei solchen Studien wäre ich vorsichtig. Facebook hat dieselbe mathematische Methodik angewandt, um den Studententrend in Princeton zu analysieren. Den Berechnungen zufolge würde es 2021 auch keine Studenten mehr in Princeton geben.
Aber ja, das Wachstum von Facebook stagniert, besonders in Europa. Das liegt allerdings daran, dass schon sehr viele Menschen auf Facebook sind. Die Nutzerzahlen ändern sich nur dahingehend, dass Kinder in das Alter kommen, wo sie sich auf Facebook anmelden dürfen.
Und: Jugendliche wenden sich auch immer öfter anderen, neuen sozialen Netzwerken wie Snapchat oder Instagram zu. Eine Abmeldung auf Facebook erfolgt jedoch dadurch nicht. Insofern ist meine Antwort nein: Aus meiner Sicht gibt es keine Anzeichen, warum Facebook ein ähnliches Schicksal drohen sollte.
2) Finanzunternehmen und Versicherer klagen über den mangelnden „Return on Investment“ ihrer Facebook-Aktivitäten. Auch unser Social-Media-Atlas zeigt, dass die Nutzer deren Aktivitäten kaum wahrnehmen. Woran liegt das? Ist Facebook das falsche Netzwerk für diese Unternehmen?
Facebook bietet Unternehmen mehrere Möglichkeiten, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das stumpfe Posting von Webseiten-Infos ist keine davon. Genau dies machen aber viele Unternehmen.
Hat Facebook (bzw. sein Algorithmus) einmal den Eindruck gewonnen, dass die Beiträge für die Fans nicht relevant sind, werden zukünftige Postings auch immer weniger Nutzern angezeigt. Das bedeutet: exakt wissen, was die Zielgruppe sehen möchte, interessant bleiben und so Relevanz und damit Reichweite schaffen. Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten Boostings. Diese kosten etwas, aber sind im Vergleich zu den klassischen TKPs (Tausendkontaktpreis) immer noch sehr günstig.
Zudem muss man immer „up to date“ sein und wissen, was Facebook zur jeweiligen Zeit fördert. 2015 ist das Jahr der Bewegtbilder. Diese werden automatisch einer größeren Audience angezeigt als zum Beispiel Fotos.
3) Was sind die häufigsten Fehler, die Unternehmen in den sozialen Netzwerken begehen? Können Sie hier eine Top 5 nennen?
- 1) Sie analysieren die Fans und deren Nutzerverhalten nicht optimal oder gar nicht. Zu welcher Uhrzeit sind meine Fans aktiv? Welche Posting-Arten schaffen eine höhere Aktivität? Hier müssen gezielt Social-Media-Tools eingesetzt werden, denn jede Facebook-Seite ist verschieden.
- 2) Keine Engagement-Trigger – viele Postings werden den Fans einfach vorgesetzt, ohne dass diese mit dem Posting interagieren sollen oder können.
- 3) Viele Unternehmen sehen Facebook nur als Zusatz-Werbeplattform und legen ungern Werbebudget hinter die Postings. Facebook zeigt ein Bildposting im Durchschnitt nur fünf Prozent der Fans an. Bei 10.000 Fans einer Seite sind das gerade mal 500. Meist reichen 20 bis 50 Euro, um das Posting – bei der Größe – den kompletten Fans anzuzeigen.
- 4) Meist gibt es keine durchdachte Social-Media-Strategie. Die Unternehmen sollten sich zu Beginn fragen, warum und wie sie Social Media nutzen möchten und Ziele definieren, um dann auch eine Erfolgskontrolle vornehmen zu können. Das passiert in der Praxis leider viel zu selten.
- 5) Social Media wird in vielen Unternehmen der Praktikantin oder dem Azubi übergeben. Dass das Potential dann nicht ausgeschöpft werden kann, ist klar…
4) Mal ehrlich: Glauben Sie, dass es Facebook in zehn Jahren noch geben wird?
Für einige Entscheider ist Facebook so etwas wie der HSV im Fußball: Die guten Zeiten sind vorbei. Ich denke, Facebook ist eher wie der FC Bayern. Es hat eine große Marktmacht, legt viele Spielregeln des Marktes fest und hat einen Background, der vieles ermöglicht. Und der FC Bayern wird vermutlich auch nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden, auch wenn sich das bestimmt viele wünschen würden.
Das Interview führte Geerd Lukaßen