Samsung versucht sich an Befreiungsschlag bei brennenden Handyakkus – und verschweigt brenzlige Details
Der Rückruf von 3 Millionen Samsung Galaxy Note 7 hat den Koreanern rund 5 Milliarden Dollar gekostet. Heute sollte dieses Drama mit einer großen Pressekonferenz beendet werden – damit die nachfolgende Handygeneration wieder ein Verkaufsschlager wird. Doch diese Krisen-PR-Strategie könnte schief gehen: Die Samsung-Manager haben brenzlige Details verschwiegen.
Der Elektronikkonzern agierte heute mit großen Zahlen: Mehr als 700 Forscher und Ingenieure haben mehr als 200.000 Handys und mehr als 30.000 Akkus untersucht, um herauszufinden, warum sich die Akkus selbst entzündet haben. „Was für ein Aufwand!“, soll das Publikum denken, damit das Untersuchungsergebnis auch ohne Widerspruch akzeptiert wird: Die Ursache läge in zwei Fehlern. Zuerst seien Akkus von Samsung SDI verbaut worden, die nicht optimal gepasst hätten und deshalb unglücklich gequetscht worden seien. Das führte zu Kurzschlüssen. Die Austauschakkus seien hingegen von einem chinesischen Lieferanten geliefert worden, der offensichtlich sehr schnelle seine Produktion hochfahren musste und dabei fehlerhaft produzierte. Schweißpunkte im Inneren der Akkus waren zu dick und zum Teil fehlte Isolierband. Diese Fehler seien erkannt.
„Wir haben verschiedene Korrekturmassnahmen vorgenommen, um sicherzustellen, dass dies nicht mehr passiert“, erklärt Samsung.
Doch das scheint nicht die volle Wahrheit zu sein. Das Wall Street Journal – aus dem Heimatland des Erzrivalen Apple – berichtet von weiteren, brenzligen Details aus dem Untersuchungsbericht und aus Gesprächen mit Experten, die von Samsung mit der Aufklärung betraut wurden:
1. verschwiegene Wahrheit: Samsung kennt die Brandursache nicht wirklich
Zwei von den Koreanern beauftragte Experten berichten laut Wall Street Journal, dass es eben doch nicht sicher sei, warum die Akkus sich selbst entzündet hätten. Die Situation sei sehr komplex, und die Ursachen nicht klar zu ermitteln. Wenn das wahr ist, hat das Samsung-Management heute hoch gepokert: Die versprochene Ursachenbehebung ist dann nur eine erhoffte. Ob das verschreckten Handykunden reicht?
2. verschwiegene Wahrheit: starre Hierarchien haben Warnungen der Mitarbeiter unterdrückt
Das Samsung-Management zeigte sich heute geknickt und bat seine Kunden um Verzeihung. Doch letztlich handele es sich um zugelieferte Akkus (wenn auch im Wesentlichen von einer Tochtergesellschaft). Dafür fühlt man sich offensichtlich weniger verantwortlich. Aus dem Konzern ist hingegen vielfach zu hören, so berichtet zum Beispiel das Handelsblatt, dass eine wichtige Ursache für die Krise in den starren Hierarchien des Unternehmens und dem Verhältnis gegenüber den Zulieferern läge: „Es sei praktisch unmöglich, die Zielvorgaben der Vorgesetzten zu hinterfragen – selbst wenn diese kaum erreichbar wären. So soll die Austauschaktion nach den ersten Handy-Bränden viel zu hektisch abgelaufen sein.“
Wenn das Samsung-Management heute ehrlich Konsequenzen gezogen hätte, wären auch Führungskräfte aus den Chefetagen fällig gewesen. Doch davon ist nichts zu sehen. Es geht weiter. Mit alter Mannschaft und einer Unternehmenskultur, die offensichtlich zur Unterdrückung von warnenden Stimmen neigt.
So brennt es beim Samsung Galaxy in Wahrheit weiter – nur eben nicht der Akku, sondern bei den Produktionsbedingungen.
Samsung hat kein Interesse, dass diese Details öffentlich werden, denn die nächste Smartphone-Generation ist bereits angekündigt: das Galaxy S8. Dieses Gerät muss ein Erfolg werden. Deshalb das Spielen mit den großen Zahlen, die Sicherheit versprechen sollen. Und tatsächlich: In den meisten Medien wird die Samsung-Geschichte bereitwillig übernommen. Nur wenige Redaktionen bohren tiefer. Für Samsung sind die nächsten Wochen in der Krisen-PR extrem kritisch. Wenn sich die unangenehme Wahrheit Bahn bricht, hat sich Samsung mit der geschönten Präsentation des Untersuchungsberichts selbst diskreditiert. Dass dieses Szenario eintritt, ist nicht unwahrscheinlich. Schließlich ist der Wettbewerb in der Smartphone-Branche hart und genug Konkurrenten haben ein echtes Interesse, einen der gefährlichsten Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.
Kein guter Plan-B in der Krisen-PR
Für dieses Szenario gibt es dann keine gute Lösung mehr in der Krisenkommunikation. Die Verteidigungslinie von Samsung – Ja, es sind schlimme Fehler passiert, aber das wird sie nie mehr wiederholen – würde zusammenbrechen. Und das Kundenvertrauen wäre nochmals stärker angeknackst.
Samsung bremst die Markteinführung des neuen Modells Galaxy S8. Üblicherweise werden die Neuheiten der Branche Ende Februar beim Mobile World Congress in Barcelona vorgeführt. Darauf verzichten die Koreaner und nehmen sich mehr Zeit, das neue Produkt mackenfrei zu produzieren. Möglicherweise wartet das Topmanagement aber auch ab, ob es mit seinen Halbwahrheiten durchkommt. Wenn sich die Krise doch wieder aufschwingt, bleibt noch Zeit, die Empörung wieder runterzukochen – so könnte das Kalkül sein.
Schöner Plan. Doch wie heißt es so schon: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr.“
Jörg Forthmann