Der Held der Steine und der Fluch des Deonyms - Faktenkontor Der Held der Steine und der Fluch des Deonyms - Faktenkontor

Der Held der Steine und der Fluch des Deonyms

Lego: Als Spielzeug zeitlos, beim Reputationsmanagement voll aus der Zeit gefallen

Die beneidenswerte Marktposition von Lego erodiert. Die Patente an seinen wichtigsten Steinen sind längst abgelaufen. Andere Firmen dürfen inzwischen nicht nur ähnliche, sondern sogar identische Steine produzieren und verkaufen. Immerhin ist der Name Lego noch eine starke Marke. Doch auch die ist dem Konzern nicht mehr so sicher – ausgerechnet seine universelle Bekanntheit droht die Markenrechte des Begriffs „Lego“ zu untergraben.

Der dänische Spielwarenhersteller geht mit aller Kraft dagegen an – setzt diese aber nicht klug ein. Denn mit seinem jüngsten Schachzug hat das Unternehmen seine Reputation ausgerechnet unter denjenigen verspielt, die eigentlich ihre wichtigsten Verbündeten sein sollten: Eingefleischte Fans – und der mutmaßlich einflussreichste deutsche Social-Media-Influencer zum Thema Lego.

Als solcher gilt der YouTuber Thomas Panke. Der selbsternannte „Held der Steine“ stellt in seinen Videos vor allem Produkte von Lego vor – und manchmal auch unter Namen wie Bluebrixx und Cada verkaufte Konkurrenzprodukte. Panke gibt in seinen Videos nicht nur Tipps, sondern teilt Lob und Kritik an den Sets und ihren Herstellern mit seinen hunderttausenden Zuschauern.

Doch statt sich über die kostenlose Publicity zu freuen, setzt der Lego-Konzern eine Rechtsanwaltskanzlei auf den YouTuber an. Die fordert ihn unvermittelt schriftlich auf, 13 seiner Videos zu löschen. Und zwar innerhalb von 48 Stunden.

Der (Lego-)Stein des Anstoßes: In Pankes langen Monologen kommt es durchaus mal vor, dass er die Produkte der Wettbewerber hin und wieder ebenfalls „Lego“ nennt. Die Lego Gruppe sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte. So schwerwiegend, dass rechtliche Schritte notwendig seien, um sicherzustellen, dass Verbraucher nicht getäuscht werden.

Von doppelschneidigen Deonymen und generalisierten Gattungsnamen

Wohlgemerkt: Panke behauptet in den Videos nicht, diese Bausätze seien von Lego. Sondern verwendet den Begriff einfach ganz allgemein für die Art von Spielzeug: Zusammensteckbare Plastik-Klötzchen. Mit anderen Worten: Er benutzt den Begriff wie eigentlich alle Ottonormalverbraucher.

Denn im Alltagsgebrauch ist „Lego“ und „Legosteine“ längst als Deonym zu einem generalisierten Gattungsnamen geworden. Genauso, wie wir nach einem Aspirin statt einer Schmerztablette fragen und unsere Nase im Tempo statt im Papiertaschentuch ausschnupfen. Uns interessiert beim Tesafilm, Tipp-Ex und Walkman nicht, von welchem Hersteller sie stammen. Alles Marken, die lange Zeit so dominierend blieben, dass sie für uns zum Synonym für die Art von Produkt selbst geworden sind.

Und das ist ein Problem für Lego. Denn wenn sich ein Markenname im Sprachverständnis der Zielgruppe zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt, kann die Marke ganz oder teilweise verfallen. Allerdings nur, wenn sich der Markeninhaber nicht nachweislich gegen diesen Bedeutungswandel gewehrt hat…

Mit juristischen Scheuklappen schnurstracks in den Reputationsfail

Grundsätzlich hat das Unternehmen also tatsächlich ein Interesse, die öffentliche Verwendung seines Markennamens als Gattungsbezeichnung zu bekämpfen. Zu behaupten, dass „man“ die Dinger gar nicht Lego nennt. Sondern (ernsthaft) „Klemmbausteine“. Auch wenn es weltfremd klingt.

Trotzdem war das Anwaltsschreiben eine richtig schlechte Idee. Dass es mehr Schaden als Nutzen anrichtet, hätte jedem PR-Profi vorab klar sein müssen, und dann gehört es eben auch zu unserem Job, Anwälte zu stoppen. Lego wäre gut beraten gewesen, neben den Paragraphen auch seine Zielgruppe und die eigene Reputation im Blick zu haben. Dazu gehört auch das Verständnis dafür, wie öffentliche Meinungsbildung in den Sozialen Medien funktioniert.

Der Anwaltsbrief erreicht nämlich vor allem eines: Er macht den „Held der Steine“ noch populärer. Und die konkurrierenden „Lego Clones“ gleich mit.

Zwar löscht Panke die (zu unrecht, wie die Legal Tribune Online meint) beanstandeten Videos. Aber er informiert natürlich auch seine Zuschauer darüber. In einem „EXTRABLATT!!“ genannten Video macht er Inhalte des Schreibens öffentlich und gibt das Unternehmen der Lächerlichkeit preis. Binnen weniger Tage wird die fast 12-minütige Schmähung mehr als zwei Millionen Mal angeklickt. Ein deutlicher Sprung gegenüber den 100.000 bis 400.000 Views, die seine Videos sonst so erreichen.

Dazu mehr als 20.000 Kommentare, die alle nicht auf den Markenwert von Lego einzahlen. Eine Auswahl:

 

Screenshots YouTube-Kommentare „Hallo. Wir sind LEGO Wir wollen weiterhin in der modernen Öffentlichkeitsarbeit maximal verkacken.“ - „Wie genau möchten Sie ihr Image zerstören? Lego: ja“ - „noch nie von der Konkurrenz gehört. Dank deren Anwaltsbrief hat sich dies geändert.“ - „Herrlich, wie unsymphatisch eine Firma sein kann, kaufe ab heute meinen Kindern nurnoch Klemmbausteine, welche keine Lego sind!“ - „Legasthenie: Leseschwäche [/] Legosthenie: Marketingschwäche“ - „Klare Reaktion von mir: KEIN Kauf von LEGO mehr für mich und für die Familie. So einfach ist das.“

 

Obendrein ersetzt Panke die gelöschten Videos kurzerhand und publikumswirksam durch neue. Und die heißen dann zum Beispiel „Der schlechteste Ferrari der Welt – LEGO® Technic 42125 Ferrari 488 GTE – das ist enorm peinlich!“ und „CADA® Master vernichtet LEGO® Technic – Das C61042W Italian Super Car“.

Legos Irrweg

Kritische oder unliebsame Stimmen einfach mit der juristischen Keule wegzukloppen ist in PR und Reputationsmanagement in der Regel eine ganz schlechte Idee. Denn das löst oft den sogenannten Streisand-Effekt aus: Die Streitigkeiten lenken viel mehr Aufmerksamkeit auf das, was man eigentlich von der öffentlichen Aufmerksamkeit fernhalten will. Stattdessen fährt ein Weltkonzern mit Milliardengewinnen ganz großes Geschütz gegen einen schutzlosen kleinen YouTuber auf. Eine David-gegen-Goliath-Situation, bei der die Sympathien automatisch David zufliegen. Und zwar die Sympathien derer, die Lego eigentlich für sich gewinnen will – als Kunden. Wenn das dann noch zu den Gesetzen des Social-Media-Raumes stattfindet, wird es auch für einen Weltkonzern gefährlich.

Verbranntes Kind schnallt das mit dem Feuer nicht

All dies hätte Lego eigentlich nicht überraschen sollen. Denn dass auf „Held der Steine“ überhaupt Konkurrenz-Produkte vorgestellt werden, hat sich Lego selbst eingebrockt. Ursprünglich ging es dort nur um das „echte“ Lego. Andere „Klemmbaustein“-Anbieter nimmt der reichweitenstarke Influencer erst ins Programm, als Lego vor zwei Jahren haargenau den gleichen Fehler schon mal machte. Mit dem gleichen Ergebnis und dazu noch mit großer Presseresonanz: Spiegel, Horizont, Standard, Welt schütteln über Legos Unvermögen den Kopf.

Marken-Experte Klaus-Dieter Koch damals in der Welt: „Das Thema Vernetzung und Social Media krempelt die Gesellschaft um, aber das scheint bei Lego noch nicht vollends angekommen zu sein“.

Dazugelernt hat Lego offensichtlich nicht. Der „Held der Steine“ ist gut für das Unternehmen. Denn Social Media ist für Kaufentscheidungen inzwischen genauso wichtig wie klassische Medien. Hierbei sind es die Empfehlungen durch Influencer auf YouTube, die am meisten zu Buche schlagen.

Zwar empfiehlt Panke nicht jedes Produkt, das er vorstellt. Lego kann seine Meinung nicht kontrollieren, und mag sich über manche kritischen Worte ärgern. Aber gerade diese Unabhängigkeit macht ihn authentisch – und deshalb besonders einflussreich. Und unterm Strich macht es ihn also zu einem viel stärkeren Fürsprecher der Marke als jemand, der sich für Lob bezahlen lässt.

Horizont erkannte bereits vor zwei Jahren:

„Bisweilen wirkt der 38-Jährige wie ein Fußballfan, der mit der Transferpolitik des Vorstands unzufrieden ist. Der Zuschauer spürt: Panke geht es um die Sache. Egal wie laut er skandiert, am Ende liebt er die Steine aus dem Hause LEGO.“

Um mit dem wertvollen Influencer auf gutem Fuß stehen zu bleiben, hätten die Lego-Leute noch nicht einmal auf ihre Forderungen verzichten müssen. Es hätte damals wie heute gereicht, wenn sie einfach nicht gleich als Eröffnungs-Karte „juristischer Overkill“ gespielt hätten. Sondern einfach erstmal zum Telefon gegriffen und die Themen freundlich angesprochen hätten.

Das hatte der Lego-Deutschlandchef nach dem ersten Fiasko auch versprochen. Tatsächlich gab es diesmal sogar einen Anruf. Aber nur um zu sagen: Da kommt gleich ein Brief von unseren Anwälten…

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

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