Wechsel an der BaFin-Spitze: Wie der neue Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Reputation seiner Behörde retten kann – und welche Hindernisse auf ihn warten…
Pressemeldungen der BaFin versetzen mich zurück in meine Kindheit. Denn wenn ich Sätze lese wie
stelle ich mir unweigerlich vor, wie sie jemand in dem für die Sprecherinnen und Sprecher der „Aktuellen Kamera“ typischen, sozialistischen Duktus vorträgt.*
(Aktuelle Kamera 29.04.1986 Quelle YouTube| dg0mg)
Die letzten beiden Sätze stammen aus Eigenmeldungen der BaFin zu ihrer Jahrespressekonferenz Mitte Juni, geleitet vom „Exekutivdirektor Bankenaufsicht“ Raimund Röseler. Normalerweise kommt diese Aufgabe dem übergeordneten BaFin-Präsidenten zu. Doch das geht dieses Jahr nicht – denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht befindet sich gerade quasi in einem Interregnum: Der alte Präsident Felix Hufeld und ebenso Vize Elisabeth Roegele mussten im Zuge des Wirecard-Skandals bereits ihren Hut nehmen, sein Nachfolger Mark Branson tritt das Amt erst am 01. August an.
Branson gilt parteiübergreifend als Hoffnungsträger, die Probleme der Behörde in den Griff zu kriegen. Und davon gibt es reichlich: Das eklatante Versagen im Fall Wirecard, ihre unrühmliche Rolle im Cum-Ex-Skandal, weitläufige Vorwürfe bürokratischer Inkompetenz und (mal wieder) Mitarbeiter unter Verdacht auf verbotene private Spekulationen, diesmal mit Gamestop-Aktien.
Besonders schwer lastet auf dem Verhältnis zwischen der Finanzaufsicht einerseits und Presse und Öffentlichkeit auf der anderen, dass sich die BaFin von Wirecard (erstaunlich leicht) instrumentalisieren lies und Strafanzeige erstattete gegen Journalisten der Financial Times, die der Bande um Braun, Marsalek & Co unbequem wurden.
Um das hier verspielte Vertrauen zurückzugewinnen und die Reputation der BaFin langfristig wieder aufzubauen, wird Branson als neuer Präsident nicht nur die operative Seite der Aufsicht von Grund auf reformieren und verbessern müssen, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit komplett umkrempeln – und ein professionelles Reputationsmanagement einführen.
Und das wird eine nicht minder große Herausforderung werden als all die anderen Baustellen. Denn die offiziellen Statements der Behörde und ihrer verbliebenen Führungsriege im Interregnum zeigen:
Das Grundlegende Problem des aktuell so schlechten Rufs der BaFin ist eine gewaltige Erwartungs-Realitäts-Lücke
Die Erwartungs-Realitäts-Lücke ist einer der häufigsten Auslöser für Reputationskrisen. Sie entsteht, wenn eine Firma, Behörde oder Organisation nicht bemerkt, wie sich durch gesellschaftliche Entwicklungen Werte, Normen und die Erwartungen der Öffentlichkeit verändern. Was dazu führt, dass die öffentliche Meinung falsch eingeschätzt und eigenes Fehlverhalten nicht als solches erkannt wird.
Diese Lücke zwischen Erwartung und Realität ist zwischen der BaFin und der Öffentlichkeit inzwischen so groß geworden, dass man fast schon von einem Realitätsverlust sprechen muss. Die Vertreter der Behörde wirken der allgemeinen Lebenswelt entrückt. Soweit, dass sie keinerlei Verständnis davon zu haben scheinen, welchen Eindruck sie bei den Stakeholdern erwecken, und was notwendig wäre, um ein gutes Bild abzugeben.
Exekutivdirektor Raimund Röseler spricht auf der Jahrespressekonferenz von einer „galoppierenden Digitalisierung“ – während die Corna-Krise dem Rest des Landes gerade vor Augen führt, wie langsam sie vorangeht und wie weit Deutschland hier zurückhängt. Paypal wurde im letzten Jahrtausend gegründet, Bitcoin ist mehr als zehn Jahre alt, Coinbase geht an die Börse, deutliche Hinweise auf Mauscheleien bei Wirecard machten bereits vor 13 Jahren erste Schlagzeilen. Und der kommissarische Leiter der obersten deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht bemerkt jetzt erst, dass sich durch diese „plötzliche“ Digitalisierung die Geschäftsmodelle im Finanzsektor irgendwie geändert haben, und man da bei der Aufsicht irgendwie wohl mal was anders machen muss als früher bei den guten alten traditionellen Kreditinstituten. Spricht von einer „neuen Realität“, an die sich die BaFin erst noch anpassen muss. Und bei der spektakulär in die Insolvenz gekrachten Greensill Bank hätte man übrigens „gute Arbeit“ geleistet.
Die Öffentlichkeitsarbeit der BaFin scheint der Devise zu folgen: Wir müssen uns mit einer Aura der Unfehlbarkeit umgeben. Und zwar am besten, indem wir selbst einfach immer wieder erzählen, wie toll wir doch sind. Konsequenterweise gilt: Schwerwiegende Fehler werden nie zugegeben (kleinere nur, wenn es rhetorisch nützlich ist – zum Beispiel, um gleich darauf die Hauptschuld bei anderen zu verorten).
Und so will die Bafin auch rückblickend aus 2021 keinen Fehler darin sehen, Whistleblower-Informationen zur Cum-Ex-Masche nicht mit Strafverfolgungsbehörden geteilt zu haben, die ihr bereits 2007 (!) vorlagen. Bezieht sich auf ein angebliches altes gesetzliches Verbot, das der Behörde leider die Hände gebunden hätte, so dass sie leider leider den milliardenschweren Steuerbetrug nicht schon vor Jahren (und in vielen Fällen vor der Verjährung) aufdecken konnte (blöd natürlich, dass die Süddeutsche Zeitung recherchieren konnte: Ein solches Verbot gab es gar nicht).
Damit bleiben die verbleibenden alteingesessenen Entscheidungsträger der Linie treu, die ihrem geschassten Ex-Präsidenten schlussendlich das Amt gekostet hat. Hufeld hat die Strafanzeige gegen die unbescholtenen FT-Journalisten noch im vergangenen Oktober öffentlich als richtige Entscheidung verteidigt, an der er auch rückblickend nichts Schlimmes finden könne. Er würde wieder so handeln – es gäbe nicht zu entschuldigen.
Mission: Lücke schließen
Den Ruf der BaFin kann der neue Präsident nur dann nachhaltig wieder aufbauen, wenn es ihm gelingt, diese Erwartungs-Realitäts-Lücke wieder zu schließen. Das bedeutet: Einen radikalen Kulturwandel um quasi 180 Grad erreichen. Denn ein guter Ruf entsteht nicht, in dem man ihn schlicht behauptet oder beansprucht. Er muss verdient werden. Für die Reputation ist nicht entscheidend, ob man Fehler macht. Sondern wie man damit umgeht. Gut für den Ruf ist: Fehler eingestehen, beheben und daraus lernen. Gegebenenfalls angemessen entschuldigen. Die Bürger dieses Landes sind keine lästigen Störfaktoren – sondern wichtige Stakeholder, die die Arbeit der BaFin mit ihren Steuern finanzieren. Sie erwarten und verdienen, das Behörden in ihrer Arbeit ethisch, ökonomisch und ökologisch nachhaltig vorgehen, und darüber aufrichtig und transparent informiert zu werden.
So zumindest die gängige Erwartungshaltung in Öffentlichkeit und Politik.
Roland Heintze
www.reputationzweinull.de
* Für die jüngeren Leser: Quasi das deutsche Pendant zu der meist auffällig rosa gekleideten, nordkoreanischen Nachrichtensprecherin Ri Chun Hee, die dank satirischer Verwendungen ihrer mit inbrünstiger und unerschütterlicher Überzeugung vorgetragenen Fernsehnachrichten weltweite Berühmtheit genießt.
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