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Die juristische Keule: Waffe der Wahl gegen perfide Pistolen

Lego macht mächtig Druck gegen scharfe Schusswaffe im Harmlos-Look

Langjährige Leser wissen: Das Reputationsmanagement von Lego sehe ich eher kritisch. Die Weigerung, dem renommierten chinesischen Künstler Ai Weiwei Legosteine für ein Kunstwerk zum Thema Meinungsfreiheit zu verkaufen, und das aggressive Vorgehen gegen einen YouTuber, nur weil er nicht „Klemmbausteine“ sagt, waren reputationsschädliche, Kopfschütteln-induzierende Fehltritte in der Öffentlichkeitsarbeit des Spielwarengiganten. Ebenfalls gilt es zu betonen, dass wildes, bedrohliches Schwingen der juristischen Keule in PR und Reputationsmanagement in der Regel eine schlechte Idee ist – unter anderem wegen des Streisand-Effekts.

Jetzt hat Lego wieder einem kleinen Unternehmer und großem Lego-Fan wegen einer vorgeblichen Markenrechtsverletzung umgehend mit einer massiven Klage gedroht. Und gleichzeitig nur minimale öffentliche Kommentare zu der Auseinandersetzung abgegeben.

Die Überraschung:

Damit hat Lego diesmal alles richtig gemacht.

Denn eine kleine Waffenschmiede aus dem US-Bundesstaat Utah hielt es tatsächlich für eine gute Idee, voll funktionsfähigen 9mm-Pistolen eine Lego-Optik zu verpassen und sie im Internet zum Verkauf anzubieten. Wie nah ist das Design an den dänischen Klemmbausteinen? So nah, dass man echte Legosteine anbauen kann – das Visier besteht sogar daraus.

Eine scharfe Waffe, die wie ein Spielzeug aussieht. Das hat sowohl Schützen selbst als auch entsetzte Aktivisten für ein schärferes Waffenrecht in den Sozialen Medien auf den Plan gerufen: Die Initiative „Everytown for Gun Safety“ zählt allein für das laufende Jahr in den USA anhand von Medienberichten schon mehr als 200 Fälle, in denen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren an eine Schusswaffe gelangt sind und sich oder andere durch einen unabsichtlich ausgelösten Schuss verletzt oder getötet haben. Die nach Ronald Reagans Pressesprecher James Brady benannte „Brady Campaign“ spricht sogar von acht Fällen täglich, in denen ein Kind oder Teenager durch eine nicht ausreichend sicher gelagerte Waffe im eigenen Haus ange- oder erschossen wird.

Laut Berichten in der Washington Post, New York Times, dem britischen Independent und dem Spiegel informierten Aktivisten und Reporter Lego. Der Konzern reagierte umgehend und forderte den Waffen-Tuner unter Androhung rechtlicher Schritte per E-Mail dazu auf, Herstellung und Verkauf dieser halbautomatischen Pistolen zu unterlassen. Die Drohkulisse ist groß genug – der kleine Handwerker gibt sofort auf. Und mehr als das sagt Lego zu der Angelegenheit auch nicht.

In diesem Fall war das unverzügliche Auffahren schwerer Geschütze aus dem Arsenal des Justiziariats des Weltkonzerns gegen einen Kleinunternehmer nicht nur richtig, sondern geradezu unabdingbar. Es galt, Produktion und Verbreitung der Waffe umgehend zu stoppen. Das wichtigste Gut der Unternehmensreputation, der Markenkern, bestehend aus Spaß am Bauen und Spielfreude, war akut bedroht, sollte auch nur ein Kind durch eine solche „Lego-Waffe“ zu Schaden kommen – eine Assoziation, die im kollektiven öffentlichen Gedächtnis nicht zu tilgen gewesen wäre.

Beispiele hierfür gibt es genug: Peleton sah sich im Mai zu einem Rückruf von rund 125.000 motorisierten Fitness-Geräten gezwungen, nach dem ein sechsjähriges Kind unter das automatische Laufband gezogen wurde und dabei so schwer verletzt wurde, dass es starb. Umgehende Folgen: dreistellige Millionenkosten für den Produktrückruf, Umsatzeinbrüche, Aktie im Sturzflug. Schwerer wiegt laut Fachpresse der langfristige Reputationsschaden. Die millionenfach verkaufte und in Europa bewährte Ikea-Kommode „Malm“ konnte dem Image des Kinder-Killers nicht entgehen, nach dem in den USA in Einzelfällen unsachgemäß aufgestellte Malms umfielen und kleine Kinder unter sich begruben, und verschwand in der Folge vom US-Markt. Kinder-Überraschungseier sind seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten verboten (selbst die private Einfuhr kann hohe Geldstrafen nach sich ziehen). Und wann immer Ferrero (oder US-Ü-Eier-Fans) versuchen, das Verbot zu kippen, erinnert die Presse an weltweite Fälle, in denen Kleinkinder an Kleinteilen der enthaltenen Überraschungen erstickt sind. Auch wenn offizielle Stellen bestätigen, dass die Unglücksfälle gar kein spezielles Problem der Ü-Ei-Designs sind, sondern Ausdruck der Allgemeinen Gefahr, die von Kleinteilen jeglicher Art für Kinder unter drei Jahren ausgeht.

Warum das „David gegen Goliath“-Narrativ bei der „Lego“-Pistole (zum Glück) nicht funktioniert: Für die kleine, auf dekorative Umbauten und Einzelanfertigungen von Pistolen und Gewehren spezialisierte Waffenschmiede gibt es keinen „David-Bonus“. Sie ist kein Underdog, den ein Weltkonzern unter Ausnutzung des Machtgefälles mit als unfair wahrgenommenen Mitteln mundtot macht. Sondern ein verantwortungsloser Player, der Kinder in Lebensgefahr bringt und daher gestoppt werden muss. Die öffentliche Erwartungshaltung ist eindeutig und Lego läuft hier nicht in Gefahr, in eine aussichtslose asymmetrische Kommunikation hineingezogen zu werden.

In vielen anderen Situationen empfehle ich zu Wahrung der eigenen Reputation, bei Unstimmigkeiten es erst einmal auf den (freundlichen) Dialog zu setzen, ohne Anwälte. Doch unter diesen Umständen wäre das vermutlich nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich gewesen.

Denn zum einen argumentiert der Firmenchef öffentlich, dass ja nichts passiert, wenn man die vermeintliche Legopistole ordentlich vor Kindern wegschließt. Und wenn das jemand nicht macht, treffe ihn als Hersteller und Händler ja keine Schuld. Und er findet sowieso, geladene Waffen unbeaufsichtigt in Reichweite von Kindern zu lagern, sollte nicht verboten sein. Denn wenn sich dann das eigene Kind erschießt, seien die Eltern ja schon genug bestraft. Und wenn ein Nachbarskind stirbt, könne der Nachbar ja auf Schadenersatz klagen…

Wer so argumentiert, ist durch sachliche Erörterungen nicht mehr zu erreichen und umzustimmen.

Und der Firmenchef gibt gegenüber der Presse auch offen zu, dass er provozieren und eine öffentliche Diskussion anstoßen wollte, die den Fokus auf den Spaß am Schießen lenken soll. Auf der eigenen Webseite bedankt sich die Firma dann auch scheinheilig und zynisch für die große, weltweite Aufmerksamkeit, die ihr die öffentliche Diskussion um die Pseudo-Legopistole eingebracht hat. Hätte Lego erst den Dialog gesucht, statt sofort eine Unterlassungserklärung einzufordern, hätte die Waffenschmiede während dieser Zeit die gesteigerte Aufmerksamkeit fröhlich dafür nutzen können, die strittigen Pistolen fleißig unters Volk zu bringen. Das konnte Lego durch seinen juristischen Ansatz weitgehend unterbinden – der Hersteller behauptet, weniger als 20 Stück verkauft zu haben.

Und deshalb ist es auch folgerichtig, dass Lego gegenüber der Presse nur das nötigste sagt:

„We have contacted the company and they have agreed to remove the product from their website and not make or sell anything like this in the future“
 – Lego Statement, New York Times

Wir sind eingeschritten. Das Problem ist beseitigt. Mehr ist zu diesem Fall nicht zu sagen. Kluger Weise nennt Lego nicht einmal den Namen der Firma, spricht lediglich neutral von „the company“. Denn so stellt Lego sicher, die Verbindungen zwischen der Waffenschmiede und der eigenen Marke in den Algorithmen der Suchmaschinen nicht durch eigene offizielle Äußerungen anzufeuern.

Das ist übrigens auch der Grund, warum ich diesmal – anders als gewohnt – diese Firma hier ebenfalls nicht beim Namen nenne, und weder zu ihrer Homepage oder Social-Media-Präsenzen verlinke, noch zu Quellen, die dies tun. Kein Grund, einem zwielichtigen Anbieter, der ohne Rücksicht auf Verluste um Aufmerksamkeit heischt, durch Nennung und Backlinks von einem etablierten Fach-Blog aus einen Boost im Google-Ranking und mehr Sichtbarkeit im Netz zu geben.

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

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