Selbst die schlimmsten Situationen rufen meist einen Gewinner hervor. Das zeigte jüngst die Krisenkommunikation der Münchner Polizei mit ihrem Pressesprecher Marcus da Gloria Martins. Und auch im Fall des Brexits könnte es einen großen Gewinner geben: Frankfurt am Main.
Von allen deutschen Städten könnte Frankfurt wohl am meisten vom EU-Austritt Großbritanniens profitieren. Internationale Banken werden nach wie vor einen Standort auf „europäischem Festland“ benötigen – inklusive der geltenden rechtlichen Voraussetzungen. In der Stadt werden wahrscheinlich in den nächsten Jahren tausende neue Arbeitsplätze entstehen. Doch wollen die Banker dieser Welt auch gerne in die Stadt am Main ziehen?
Zuverlässig, aber spröde
Frankfurt hat einen guten Ruf, wenn es um die Zuverlässigkeit bei Finanzgeschäften geht. Auch der Hauptsitz der EZB verleiht der Stadt internationale Bedeutung, vor allem auf den Finanzmärkten. Die Börse überträgt kein spekulatives Image auf die Stadt. Anders als die New Yorker Börse, von der immer nur als „Wall Street“ gesprochen wird, die stellvertretend für Zocker und Finanzhaie gilt. Bald sollen auch Frankfurter und Londoner Börse fusionieren, um ein Gegengewicht zu den USA und Asien zu bilden. All das zahlt auf den Ruf der Stadt als starker Finanzstandort ein, aber weniger auf Frankfurt als lebenswerte Stadt.
In einer aktuellen Studie landet Frankfurt im internationalen Vergleich nur auf Platz 35 der Städte mit der besten Reputation. Sie ist damit die dritte deutsche Stadt hinter München und Berlin (Platz 17 und 25). Eine andere Studie betrachtet Städte aus den Augen von potenziellen Arbeitnehmern aus dem Ausland. Die Befragten beurteilten die politische, wirtschaftliche und soziale Situation. Frankfurt schneidet hier deutlich besser ab und belegt im Ranking Platz 7, wiederum als dritter Platz hinter München und Düsseldorf (Platz 4 und 6).
Frankfurt als Arbeits- und Finanzmarkt besitzt also Vertrauen. Dieses positive Bild kann sich aber nicht für die Reputation als lebenswerte Stadt durchsetzen. Die Assoziation mit Anzugträgern und Banken lässt sie eher staubig wirken. Kulturelles Alleinstellungsmerkmal ist die Skyline. Als einzige Stadt in Deutschland kann Frankfurt mit sich tummelnden Skyscrapern aufwarten, die das Stadtbild prägen. Aber auch dieses Kennzeichen schließt wiederum auf den Finanzhintergrund. Der schlechte Ruf des Frankfurter Bahnhofviertels tut sein Übriges. Geht es jedoch um besondere Lebensqualität oder einen Frankfurter Flair, fällt es schwer, an den Anzügen und Wolkenkratzern vorbei zu denken.
Die Frage ist: Reicht es, als starker und zuverlässiger Finanzstandort wahrgenommen zu werden, um die entscheidenden Kräfte anzulocken? Sich als Finanzhimmel Deutschlands zu positionieren ist schließlich auch ein Alleinstellungsmerkmal. Banker und Co. erwarten wohl trotzdem mehr als nur einen vertrauensvollen Standort für Finanzdienstleister. Mehr „Äppelwoi“ und „Grie Soß“ würden der Reputation der Stadt gut tun, um auch für eine besondere Lebensqualität wahrgenommen zu werden.
Lisa Hyna
Lesen Sie diese Woche bei Mediengau: Pressesprecher der Münchener Polizei liefert Vorbild für sehr gute Krisenreaktion