Ikea stärkt Reputation durch Nachhaltigkeits-Musterprojekt „More Sustainable Store“
Der Möbelgigant Ikea ist aus (nicht nur) deutschen Haushalten kaum noch wegzudenken. Angeblich wurde sogar jeder zehnte Westeuropäer auf Ikea-Matratzen gezeugt. Aber Anfang des Jahrtausends geriet der Möbelkonzern wegen ethisch und ökologisch fragwürdiger Geschäftspraktiken immer stärker in den Fokus öffentlicher Kritik und nahm Schaden an seiner Reputation. Inzwischen hat Ikea offensichtlich erkannt, welche Gefahren für sein Geschäft daraus resultieren und steuert mit zahlreichen Maßnahmen dagegen. Jetzt hat der Möbelriese ein besonders beeindruckendes Nachhaltigkeits-Projekt gestartet: Die „More Sustainable Store“; eine nagelneue Ikea-Filiale im nordrhein-westfälischen Kaarst als Nachhaltigkeits-Vorzeigehaus.
100 Millionen Euro lässt sich Ikea das neue Öko-Kaufhaus kosten, rund 30 Millionen mehr als eine herkömmliche Filiale. Mit dem Geld wird an nahezu jeder Nachhaltigkeits-Schraube gedreht:
Zur Energieversorgung werden 4.000 Quadratmeter Solarzellen auf den Dächern installiert und ein eigenes Blockheizkraftwerk gebaut. Beides zusammen soll schon mal 700 Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Dazu kommt eine Solarthermieanlage, Abwasser- und Regenwassernutzung für Toilettenanlagen. Mit der Energieversorgung des Gebäudes fangen die Nachhaltigkeitspläne aber erst an. Für E-Autos und E-Bikes soll es Schnelllade-Stationen geben, E-Shuttlebusse binden das Gelände ans öffentliche Verkehrsmittelnetz an, Radwege verbinden es mit dem internationalen Radwegenetz.
Besonders hervor sticht beim Ikea-Projekt die Einbindung von Stakeholder-Gruppen, die häufig außen vor gelassen werden: Mitarbeiter und Anwohner. Es wurden beim Entwurf des Hauses nicht nur viele Vorschläge von Mitarbeitern eingeholt und eingebunden, sondern auch die Nachbarschaft unter anderem über ein vorbildlich moderiertes Internet-Forum in den Entwicklungsprozess einbezogen. Die gesamte Anlage ist so konzipiert, dass sie nicht nur ein großer Möbelladen wird, sondern ein sozialer Treffpunkt für die Nachbarschaft – geplant sind unter anderem ein Grillplatz, Spiel- und Sportmöglichkeiten und in Zusammenarbeit mit Kaarster Vereinen und Initiativen ein Repair-Café eines Seniorenvereins, ein integratives Künstleratelier und ein professioneller Bandproberaum.
Das Unternehmen betont dabei, dass nicht geplant ist, in Zukunft alle Ikea-Filialen genau so zu gestalten. Vielmehr dient die „More Sustainable Store“ als Testobjekt – es wird vieles ausprobiert, und nur was sich bewährt, soll bei anderen Neubauten übernommen werden.
Mein Urteil:
Die „More Sustainable Store“ ist ein vorbildliches Projekt, bei dem sich viele Unternehmen dicke Scheiben abschneiden können und das Ikeas Reputation nachhaltig stärken wird.
Der Umfang des Projekts zeigt, dass es Ikea ernst meint. Die Einbindung der Stakeholder ist vorbildlich und entschärft frühzeitig potenzielle Konflikte, die anderswo Großprojekte schnell zum Erliegen bringen oder zumindest erheblich verzögern. Mit dem NABU hat sich Ikea für die Landschaftsgestaltung einen starken, glaubwürdigen, externen Partner ins Boot geholt, was einen Transfer von guter Reputation von der NGO auf das Unternehmen auslöst. Die Idee, viele Nachhaltigkeits-Ansätze erst in einem Pilotprojekt auszuprobieren und dann die erfolgreichen Konzepte auf andere Standorte zu übertragen, ist sinnvoll und zielführend.
Alter Schwede!
Roland Heintze
Derweil, bei Mediengau: Jörg Forthmann fragt, „Kommen jetzt die Dieselgate-Denunzianten?“