Edward Snowdens Enthüllungen haben zu einem Aufschrei der Empörung und dann zu großer Nachfrage nach „Software made in Germany“ geführt. Sogar WhatsApp hat nach anhaltender Kritik sein Datenleck gekittet und verschlüsselt nun Nutzerdaten. Und was machen die deutschen Internetnutzer? Sie tauschen sich mit wildfremden Leuten auf öffentlichen Online-Plattformen fröhlich über ihre Kreditwürdigkeit aus. Das geht aus der Studie „Hausbank im Internet“ der Unternehmensberatung Complexium vor.
Demnach sind Diskussionen um die Kreditaufnahme das meistdiskutierte Bankthema im Netz: 28 Prozent von mehr als 900 analysierten deutschsprachigen Social-Media-Beiträgen zu Finanzthemen kreisen rund um dieses Thema. Darin geben die Nutzer auch Details zu ihrer Kreditwürdigkeit, ihrem Einkommen und bestehenden Verbindlichkeiten – also Schulden – preis. Gesprächsthema Nummer zwei ist die Baufinanzierung, auch hier wird frei von der Leber weg zum Beispiel über vorhandenes Eigenkapital geplaudert. Mit 87 Prozent finden die meisten Unterhaltungen in Foren statt (Ratgeber- und Finanzforen sowie Immobilien- und Autoforen). Ganz offenbar fühlen sich die Nutzer geschützt durch die Möglichkeit, via Nicknames zu kommunizieren oder auch ganz anonym. Dass sich dennoch Verknüpfungen zur Identität ziehen lassen, spätestens bei einem Datenleck im Forum, und findige Firmen die Kreditwürdigkeit auf Basis von Online-Informationen ermitteln, blenden die Nutzer dabei entweder aus oder sie wissen nicht um diese Gefahren.
Spätestens an dieser Stelle sollte nun erwähnt werden, dass die Complexium-Studie auf einer absurd dünnen Datenbasis basiert: 900 untersuchte Beiträge aus einem Zeitraum von einem Jahr (September 2013 bis September 2014) sind ein Witz. Dennoch kann sich jeder, der ein Finanzforum besucht, von dem geschilderten „Finanz-Striptease“ ein eigenes Bild machen.
Folgende Erkenntnisse sollten sich Kommunikationsverantwortliche von Banken zu Herzen nehmen:
1. Privatkunden haben ein unstillbares Bedürfnis nach Basisinformationen zu Finanzierungsthemen, die sie sich gerne im Web abholen, bevor sie eine Bank kontaktieren.
2. Nach dem „Aufschlauen“ möchten sie sich zu ihrer individuellen Situation austauschen und über konkrete Angebote / Produkte sprechen.
3. Die Nutzer tendieren dazu, zu viele persönliche Informationen offen preiszugeben – sie können Aufklärung gebrauchen.
Diesem Bedürfnis sollten die Banken nachkommen und Webangebote schaffen, die zunächst einmal nutzwertige Basisinformationen liefern (keine Werbung!) und dann zu individuellen Kontaktmöglichkeiten in sicherem Umfeld überleiten (vebrunden mit den Hinweis, das nicht im öffentlichen Bereich zu tun). Ebenso denkbar ist es, Interessenten die Möglichkeit zu geben, sich mit zufriedenen Kunden (die vorher zugestimmt haben) über Erfahrungen mit konkreten Produkten auszutauschen. Ein solches aktives und kundenorientiertes Vorgehen in der Social-Media-Kommunikation lässt sich gut auf andere Branchen übertragen. Eine Google-Suche zu einer Frage aus einem beliebigen Themenbereich wird das bestätigen.
Von Juliana Hartwig