Aldi Süd schadet eigener Reputation durch unsensibles Feuerwerk-Marketing
Woran denken Sie, wenn Sie folgende Begriffe zusammen hören? „Bomben-Füllung“, „Machine-Gun“ und „Paris“.
Wenn Sie Aldi Süd sind, dann denken sie an eine fröhliche Familienfeier zu Sylvester. Denn der Discounter bot zum Jahreswechsel ein „Premium-Familien“ Feuerwerk unter dem Namen „Paris“ an. Mit „7 Brillant-Bomben-Raketen“ und einer Böller-Kette „32er Machine-Gun“. Dazu prangt auf der Verpackung eine stilisierte Skyline der Französischen Hauptstadt inklusive Eifelturm und Notre Dame; dahinter riesige Explosionen. (Besonders schön sind diese Details zwischen 0‘08“ und 0‘16“ in diesem ultra-billigen Produktvideo zu sehen.)
Wenig überraschend dachten viele Verbraucher und Journalisten nach nur eineinhalb Monaten eher an die schrecklichen Anschläge von Paris mit 130 Todesopfern. In solch zeitlicher Nähe war das Feuerwerk mit „Bomben-Füllung“ für sie eine Geschmacklosigkeit, über die sie sich im Web 2.0 und einer Vielzahl negativer Presseberichte ausließen.
Aldi zeigte sich überrascht, reagierte aber zeitnah:
Auf Facebook:
„Bitte seien Sie versichert, dass es nicht unsere Absicht war, unsere Feuerwerkskörper mit den Anschlägen von Paris in Verbindung zu bringen. Unsere Silvesterpakete werden bereits weit im Voraus gekauft und geplant, sodass eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse leider nicht möglich ist. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
Bei Meedia:
„Bereits seit 2004 bieten wir unseren Kundinnen und Kunden passend zum Jahreswechsel verschiedene Feuerwerks-Arrangements entsprechend unserem Städtekonzept mit verschiedenen Städtenamen an. Neben Milano, Kapstadt, Barcelona, Las Vegas, Lissabon, Bangkok, Berlin, Sydney, Rio und einigen mehr findet sich auch in diesem Jahr wieder das Familien-Sortiment Paris. Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesen Aktionsartikeln um eine Jahresproduktion handelt, die weit vor dem Verkaufsdatum hergestellt wird. Die Produktion dieses Sortiments begann bereits im Februar 2015“.
Positiv in Bezug auf Aldis Reputationsmanagement ist zu bewerten, dass der Discounter so schnell auf Posts und Artikel reagierte – in beiden Fällen jeweils noch am selben Tag. Und die Erklärung ist zumindest auch nicht ganz schlecht.
Trotzdem gibt es hier deutliches Optimierungspotenzial:
1. Grundsätzlich hätte Aldi Süd davon nicht überrascht werden dürfen. Vorausschauendes Reputationsmanagement identifiziert solche Reputationsrisiken frühzeitig und schaltet sie aus, bevor sie akut werden. Sprich: Aldi hätte umgehend nach den Anschlägen erkennen müssen, dass die Verpackung sicherlich nicht von allen, aber von vielen als zynisch und respektlos gegenüber den Opfern aufgefasst werden wird – auch wenn das sicherlich zu keinem Zeitpunkt intendiert war. Innerhalb von sechs Wochen für eine neue Verpackung zu sorgen ist dabei nicht unmöglich – es ist nur arbeitsaufwändig und kostet Geld. Dieses Geld hätte Aldi sein Ruf aber wert sein sollen.
2. Auch nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, hätte Aldi empathischer reagieren sollen. Stattdessen tappte das Unternehmen in die Falle der asymmetrischen Kommunikation: Es reagierte kühl-sachlich auf eine emotionale Entrüstung. Statt um Verständnis dafür zu bitten, dass das Feuerwerk aus logistischen Gründen nicht neu verpackt wurde, hätte Aldi Verständnis dafür zeigen sollen, dass Name und Verpackung als unangemessen empfunden werden und sich für die Unsensibilität entschuldigen sollen.
Auch wenn dieses Vorgehen scheinbar auf der Hand lag, scheint es bei Aldi Süd kein institutionalisiertes Reputationsmanagement zu geben – ein Fehler. Jetzt bleibt die spannende Frage, ob Aldi Süd für den Jahreswechsel 2016/2017 daraus gelernt hat.
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