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Spreu und Weizen der Energiewirtschaft

Nachhaltigkeitsstrategien: So verspielt die Energiewirtschaft ihre „Licence to operate“

Ermutigende Zahlen aus der deutschen Energiewirtschaft: 81 Prozent befragter Unternehmen des Sektors schreiben Nachhaltigkeit einen hohen bis sehr hohen Stellenwert zu, Tendenz: stark steigend. 60 Prozent verfolgen bereits eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie, weitere zehn Prozent sind dabei, eine zu erarbeiten. Das am häufigsten angestrebte Ziel ist CO2-Neutralität.

Das zeigt eine Marktstudie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), für den die Beratungsgesellschaft Imug 101 Mitgliedsunternehmen des BDEW aus allen 16 Bundesländern befragt hat.

Mehr als jeder Vierte der befragten Energieversorger und Netzbetreiber veröffentlicht bereits Nachhaltigkeitsberichte, bei mehr als einem weiteren Drittel ist diese Dokumentation in Vorbereitung. Die berichtenden Unternehmen wollen damit vor allem Transparenz schaffen, ihre Reputation steigern, halten sie für zeitgemäß und wollen so eine Vorbildfunktion einnehmen.

Gemäß der Umfrageergebnisse zeigen sich die Energiewirtschaftsbetriebe im Großen und Ganzen also auf einem guten Weg in zukunftsfähiges, nachhaltiges Wirtschaften und sind sich auch der Bedeutung ihrer Reputation in diesem Zusammenhang bewusst.

Das gilt aber nicht durchgehend für den gesamten Energiesektor: Ein Teil der Unternehmen verweigert sich dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit. Deren Antworten zeigen, dass sie sich der damit verbunden Schwierigkeiten nicht bewusst sind und so auf eine hausgemachte Krise zusteuern.

Denn die Minderheit der Betriebe, die weder über eine Nachhaltigkeitsstrategie verfügen, noch an einer arbeiten, nennen als Gründe dafür neben fehlenden Ressourcen vor allem, dass sie weder einen Bedarf dafür noch Vorteile darin sehen.

Der mit Abstand am häufigsten genannte Grund, keinen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen, ist, dass man schließlich nicht dazu verpflichtet sei – rechtlich stimmt, gesellschaftspolitisch im Jahr 2023 ein fataler Trugschluss.

Sich mit „muss ich ja nicht“ herauszureden, ist für Nicht-Berichter gefährlich und wird ihrer Reputation und in Folge Marktposition schaden. Und wer weder Bedarf noch Vorteile einer Nachhaltigkeitsstrategie sieht, muss dafür seine Augen schon sehr fest verschlossen halten.

Diese Unternehmen drohen, in eine „Erwartungs-Realitäts-Lücke“ zu fallen

Eine Erwartungs-Realitäts-Lücke tut sich (meist zunächst schleichend) auf, wenn eine Firma nicht bemerkt, wie sich durch gesellschaftliche Entwicklungen Werte, Normen und daraus resultierend auch die Erwartungen der Öffentlichkeit an Unternehmen verändern. Wer dann mit Blick auf frühere Erfolge eine schlichte „weiter so“-Strategie verfolgt, wird zunehmend das Vertrauen von Kunden, Kapitalgebern, Mitarbeitern, Politik und anderen Stakeholdern verlieren und damit quasi seine gesellschaftliche „Licence to operate“ einbüßen.

Ein Thema, dem ich mich zusammen mit meinen Kollegen Jörg Forthmann und Dr. Michael Neumann auch in unserem neuen Buch „Im Schraubstock von Profit und Nachhaltigkeit – Warum Nachhaltigkeitsreputation für Unternehmen überlebenswichtig wird“ ausführlich widme. Darin zeigen wir unter anderem, dass Manager, die eine Environmental, Social & (good) Governance-Strategie als Last und Gemeinwohlorientierung als minder wichtige Aufgaben einstufen, einem fatalen Irrtum unterliegen: nämlich, dass sich ihr Geschäft ohne ESG-Engagement weiterentwickeln wird wie bisher. Wissenschaft und Praxis erhärten jedoch die Erwartung, dass Gewinne und Kapitalflüsse bei Untätigkeit schrumpfen werden.

Deswegen gilt auch für Unternehmen der Energiewirtschaft: Sie sollten die Entwicklung einer überzeugenden, wirkungsvollen Nachhaltigkeitsstrategie nicht aufschieben und besser freiwillig nach anerkannten Standards über deren Umsetzung berichten als darauf zu warten, dass Vorschriften dies unumgänglich machen. Letzteres würde ihnen – verdient – einen Ruf als widerstrebende Nachzügler und eher Teil des Problems als seiner Lösung einbringen. Kein gutes Fundament für die gesellschaftliche „Licence to operate“.

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

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Quelle Beitragsbild: https://unsplash.com/de/fotos/ZKWgoRUYuMk | @karsten_wuerth

 

 

 

 

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