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Lipstick on a Pig

Bitte nicht so genau hinsehen: wie Nespresso in die Nachhaltigkeits-Offensive geht

Claudia Memminger will Nespresso glaubwürdig als nachhaltig positionieren. Das verriet die Marketingleiterin in einem Interview hinter der Paywall von WuV. Sie betont darin, dass die Aluminium-Kapseln der Kaffeemarke über den Gelben Sack prima recycelt werden könnten. Und dass Nespresso kürzlich mit der B-Corp-Zertifizierung ein anerkanntes Siegel für nachhaltig agierende Unternehmen erhalten hätte.

Das Eigenlob über Bemühungen zum Aluminium-Recycling taugt dabei nur wenig, um das Framing der schlechten Ökobilanz der Nespressokapseln hin zu einem Nebenkriegsschauplatz zu lenken. Denn das hängt nicht an der Frage, ob die Verpackungen recycelt werden oder nicht – sondern grundsätzlich am Werkstoff Aluminium. Dessen Gewinnung ist außerordentlich flächenverbrauchend und energieaufwändig. Durch Recycling wird das zwar etwas besser – aber trotzdem nicht wirklich gut. Und eine Kapsel pro Tasse ergibt ganz schnell viel Abfall. Über alle Hersteller hinweg geschätzt rund 5.000 Tonnen jährlich – allein in Deutschland. Aus so viel Metall könnte man auch große, kräftige, beeindruckende Brücken bauen.

Ein weiteres Problem: Wie viele ihrer leeren Kapseln die Verbraucher letztlich wieder in die Wertstoffspirale geben, und wie viele letztlich doch im Müll landen – unbekannt. Neu sind all diese Kritikpunkte nicht. Bei Nespresso ist im Wesentlichen kommunikativ also alles beim Alten – und das hat Kabarettist Philipp Weber vor längerer Zeit unter dem Titel „Müll hat einen Namen“ in einer Kolumne besonders pointiert und erheiternd, aber trotzdem faktenreich zusammengefasst.

Nespresso und das Nachhaltigkeitssiegel

Siegel ist nicht gleich Siegel. Mit B Corp hat sich Nespresso eines ausgesucht, dem Experten im Detail zwar durchaus auch ein paar gute Seiten abgewinnen können, das letztendlich in entscheidenden Punkten aber immer wieder für Kritik sorgt: unklare Kriterien, zu viel Verlassen auf Selbstauskünfte und zu wenig Kontrollen, ob behauptete Standards tatsächlich eingehalten werden.

Umstritten ist auch das Scoring-System, in dem selbst ein Unternehmen mit null Punkten in der Ökobewertung die für eine Zertifizierung notwendige Untergrenze von 80 Punkten erreichen kann, wie kürzlich eine Studie von Forscherinnen des britischen Carbon Trust und der Sant’Anna School of Advanced Studies im italienischen Pisa gezeigt hat. Wie ist das möglich? Indem man statt dessen genug Punkte in anderen CSR-Dimensionen wie Gesellschaftliches und gute Unternehmensführung sammelt. Und das ist, wie die Autoren feststellen, eine Steilvorlage fürs Greenwashing.

Nespresso hat es hier übrigens auf stolz verkündete 84 Punkte gebracht. Denkbar knapp über der schon flachen Schwelle. Entsprechend betonen Nespresso und der Zertifizierer auch, dass das Siegel eigentlich vor allem ein Ansporn sein soll, in Sachen Nachhaltigkeit in Zukunft noch besser zu werden. Solch gute Vorsätze klingen schön, machen aber noch keinen guten Ruf, bevor sie wirksam umgesetzt werden. Auch hier gilt: „You can’t build a reputation on what you are going to do.

Was hat das jetzt mit Lippenstift zu tun

Den größten Schaden nimmt die Nachhaltigkeitsreputation von Nespresso durch unzeitgemäßes Beharren auf einer objektiv ressourcenverschwenderischen Variante für seine Portionskapseln. Solange es in dieser Schlüsselfrage beim sturen „Weiter so!“ bleibt, ist die Nachhaltigkeits-PR für die Marke nichts anderes als das, was im Englischen „to put lipstick on a pig“ genannt wird: „making superficial or cosmetic changes to a product in a futile effort to disguise its fundamental failings.“

Hinzu kommt, dass diese Erkenntnis für jedermann nur eine kurze Google-Suche entfernt ist. Und damit auch für alle Stakeholder: Kunden. Investoren. Fachkräfte. Journalisten. Meinungsbildner. Deswegen lässt sich im Digital-Zeitalter eine gute Reputation nicht ohne gute Leistung aufbauen.

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

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[Quelle des Beitragsbildes: https://unsplash.com/photos/VxtWBOQjGdI | Alex Padurariu ]

Roland Heintze
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