Frontenwechsel für die Reputation: Danone führt freiwillig eine „Lebensmittel-Ampel“ ein – Foodwatch ist begeistert
Neulich, im Sherwood Forest: Der Sheriff von Nottingham legt neue Regeln für die Steuererhebung und die Jagd im königlichen Wald fest. Vorgestellt werden diese neuen Gesetze von Robin Hood – der die Reformen dann ausgiebig als großen Fortschritt für die ärmere Bevölkerung der East Midlands lobt.
Klingt irgendwie nach verkehrter Welt?
Ist aber zumindest fast genauso gerade passiert. Mit dem französischen Lebensmittel-Giganten Danone in der Rolle des Sherrifs von Nottingham und der NGO Foodwatch als Robin Hood. Nur statt um Jagd und Steuern ging es um die lange diskutierte „Ampel“-Kennzeichnung für verpackte Lebensmittel.
Danone will ab 2019 auf seinen Produkten freiwillig eine Lebensmittel-Ampel einführen Sie soll dem Verbraucher auf einen Blick zeigen, wie gesund oder ungesund das jeweilige Essen ist. Danone setzt dabei auf das in Frankreich von der Regierung etablierte „NutriScore“-Modell. Und betont, das Einführen einer EU-weit verbindlichen Regelung zu unterstützen.
Danone präsentierte seine Ampel-Initiative im Rahmen eines „politischen Frühstücks“ im Bundestag. Die breite Öffentlichkeit erfuhr davon aus einer Pressemeldung. Die allerdings nicht von Danone herausgegeben wurde, sondern von den „Essensrettern“ der renommierten NGO Foodwatch, die an der Veranstaltung teilnahmen. Darin erfährt der Leser von den anerkannten Fachleuten auch gleich noch, dass NutriScore wissenschaftlich fundiert, von unabhängigen Experten entwickelt worden und dem etwas bekannteren britischen System ebenbürtig ist.
Besonders überraschend an diesem Schulterschluss: Bis vor kurzem waren Foodwatch und Danone noch bittere Rivalen. So verliehen die Verbraucherschützer dem Nahrungsmittelhersteller 2009 medienwirksam den „Golden Windbeutel“ für dreiste Werbelügen und zofften sich mit Danone ausführlich darüber, ob die „Aktivierung der Abwehrkräfte“ durch Danones „Actimel“-Trinkjoghurt Verbrauchertäuschung darstellt oder nicht.
Zudem gilt die Verhinderung einer verpflichtenden und tatsächlich transparenten Lebensmittel-Ampel bisher als einer der größten Lobby-Erfolge der Lebensmittel-Industrie. Die großen Player dieses Marktes versuchen eigentlich schon seit Jahren, stattdessen eine selbstentwickelte Ampel durchzusetzen, die den ursprünglichen Zweck so einer Kennzeichnung komplett ad absurdum führt. Denn in dem von Nestlé, Mondelez, Unilever, Coca-Cola und Pepsi propagierten Modell würden nicht einmal Produkte, die zu 90 Prozent aus Fett und Zucker bestehen, die Ampel auf Rot springen lassen.
Warum also sucht Danone jetzt den Schulterschluss mit Foodwatch – und positioniert sich so deutlich gegen die „Big Five“ und ihre Anti-Ampel?
Weil Danone klüger ist. Denn eine breite Mehrheit der Verbraucher wünscht sich eine (sinnvolle) Lebensmittel-Ampel. Danone hat erkannt, dass gegen diese Erwartungen der eigenen Kunden anzuarbeiten schlecht für die Reputation und den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg ist.
Vor allem große, alt eingesessene Unternehmen versuchen häufig, sich mit aller Kraft gegen Veränderungen im Markt zu stemmen, statt sich ihnen anzupassen. Das verschlingt Unmengen an Ressourcen und führt nur dazu, dass das Unternehmen auf lange Sicht immer ineffizienter wird und den Herausforderungen seines Marktes immer weniger gewachsen ist.
Danone hat die Unsinnigkeit dieses Pfades erkannt. Mit der freiwilligen Einführung einer wirklich sinnvollen Lebensmittel-Ampel reagiert Danone auf die gewandelten Ansprüche und Erwartungen der Verbraucher schneller als die Politik. Das gibt einen Boost für die Reputation, einen Marktvorteil als Pionier – und überzeugte auch die Experten von Foodwatch.
Nach der Veranstaltung veröffentlichte Foodwatch seine Pressemeldung als Kommentar zu Danones im Bundestag vorgestellter Ampel-Initiative. Und machte damit eine eigene Meldung von Danone überflüssig. Denn erst die externe Expertise von Foodwatch verleiht Danone die notwendige Glaubwürdigkeit. Hätte Danone selbst erzählt, wie toll das selbst gewählte NutriScore-Prinzip ist – die größte Reaktion wäre (hierzulande) Skepsis gewesen. Denn das behaupten schließlich die „Big Five“ auch von ihrer immergrünen Ampel-Variante. Foodwatch aber genießt auf diesem Gebiet eine gute Reputation – die Unterstützung der „Essensretter“ ist quasi ein Ritterschlag für den Nahrungsmittel-Giganten.
Danone folgt damit vorbildlich der bewährten „If you can’t beat them, join them“-Strategie.
Kämpft Ihr Unternehmen noch gegen die eigenen Kunden an – oder steht es schon an deren Seite?
Roland Heintze
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