Später Rettungsversuch für die Reputation: Realistischere Kleidergrößen bei H&M
Welchen Ruf genießt die Modekette H&M bei Ihnen? Wenn Sie diese Frage einer Britin stellen, ist die Antwort wahrscheinlich: „Der Laden, in dem die Klamotten immer mehrere Größen kleiner ausfallen, als angegeben. Und bei dem selbst die größten Größen winzig sind.“
Folge: Frust bei Kundinnen, die trotz einer gewöhnlichen Statur selbst in die größten Größen nicht hineinpassen.
Diese Schrumpf-Größen-Politik hat in Groß Britannien in den vergangenen Jahren schon zu massiven Shitstürmen gegen H&M in den Sozialen Medien geführt. Bisher reagierte das Unternehmen darauf mit: Beschwichtigen, Ausweichen, Ignorieren.
Keine gute Idee für die Reputation.
Zwei Beispiele:
Facebook-Nutzerin Ruth beschwerte sich schon 2016 über eine Jeans, die als UK 16 ausgezeichnet war und nicht annähernd passte, obwohl sie als Standard-Größe eigentlich UK 14 hat. Und 2017 beschwerte sich ebenfalls über Facebook die Kundin Lowri, für die ein Kleid in Größe UK 16 zur Wurstpelle wurde, obwohl sie normalerweise Größe UK 12 trägt. Auf beide Posts folgten Stürme der Entrüstung, die auch ihren Weg in die internationale Presse fanden. Obgleich zwischen beiden Beschwerden fast ein Jahr lag, antworte H&M auf beide Posts laut Stern mit den gleichen, lapidaren, allgemeinen Textbausteinen:
Dass H&M nach einem Jahr auf das gleiche Problem einer weiteren Kundin mit dem selben Text antwortet, zeigt (der Öffentlichkeit), dass das Unternehmen das Problem (und somit die Kundinnen) nicht ernst nimmt – sonst hätte sich ja etwas geändert. Darüber hinaus ist die Antwort sehr schwammig und wenig einleuchtend. Denn H&M gab die Größen durchaus in den britischen Einheiten an – nur eben falsch.
Wer so respektlos mit seinen Kunden umgeht, ruiniert auf Dauer seine Reputation. Und vergrätzt damit seine Zielgruppe. Folge: Die Kundschaft bleibt weg, der Umsatz fällt.
Und genau so ist es auch bei H&M gekommen: Inzwischen leidet das Unternehmen massiv an Kundenflucht und Umsatzrückgängen.
Ich will hier natürlich nicht behaupten, dies sei einzig und allein auf diese Shitstürme über die Kleidergrößen zurückzuführen. Aber die unzulänglichen Reaktionen von H&M im Social Web waren symptomatisch dafür, wie der schwedische Textil-Gigant lange an den Bedürfnissen seiner Kunden vorbeigearbeitet hat. Wer sich nicht darum bemüht, seine Zielgruppe zu verstehen, wird sie verlieren.
Es hat zwar (zu) lange gedauert – aber jetzt scheint diese Erkenntnis auch in der Chefetage der globalen Modekette angekommen zu sein: In einem Interview mit dem Stern räumte H&M-Chef Karl-Johan Persson ein, dass Umsätze, Gewinne und der Aktienkurs von H&M stark zurückgegangen sind, weil das Unternehmen zu selbstgefällig und selbstzufrieden geworden ist und sich zu wenig an den Kunden orientiert hat. Der „Mix des Angebots“ stimme nicht, es fehle an guter Beratung, Kunden fänden nicht, was sie suchen.
Dieser Einsicht lässt H&M nun auch tatsächlich Schritte zur Besserung folgen: Im Juni kündigte das Unternehmen an, seine Kleidergrößen endlich anzupassen.
Was lernen wir daraus?
- Wer seine Kunden nicht ernst nimmt, betreibt Raubbau an der eigenen Reputation.
- Einem Verlust an Reputation folgt der Verlust an Umsatz.
- Deshalb: Begegne Deinen Kunden mit Respekt, Integrität und Benevolenz.
- Äußern sie eine berechtigte Kritik, dann antworte schnell, freundlich und verbindlich.
- Dazu gehört nicht nur Verständnis zu äußern und Fakten zu liefern – sondern auch, Problemlösungen anzubieten und umzusetzen.
- Nutze die Informationen, die Deine Kunden Dir über Social Media zukommen zu lassen, um Deine Zielgruppe besser zu verstehen und Angebote zu schaffen, die sie überzeugen. Sonst nimmt Dir jemand Marktanteile ab, der das tut.
Roland Heintze
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