Erst Dilettieren, dann Brillieren:
United Airlines rettet Reputation im zweiten Anlauf
Der Flieger ist schon voll besetzt, gleich soll er abheben, doch die Fluggesellschaft United Airlines will kurzfristig noch ein paar Mitarbeiter mitnehmen. Keiner der zahlenden Gäste will freiwillig seinen Platz räumen, also wählt die Crew vier Passagiere aus, die wieder aussteigen sollen. Einer weigert sich – ein Arzt, der von seinen Patienten erwartet wird. Das kriegen wir doch schnell geregelt, denkt sich die Crew. Und lässt ihren Kunden kurzerhand von Flughafen-Polizisten vor laufenden Handy-Kameras gewaltsam aus dem Flieger ziehen. Sehr grob: Der Arzt verliert zwei Zähne, erleidet einen Nasenbruch und eine Gehirnerschütterung.
Zwei zusammengeschnittene Handy-Videos aus dem United-Airlines-Flugzeug auf Youtube.
Im zweiten ist bei 1:14 zu sehen, wie der 69-jährige Passagier mit dem Gesicht auf der gegenüberliegenden Armlehne aufschlägt. Vermutlich verliert er in diesem Moment zwei Zähne und erleidet eine Gehirnerschütterung.
Daraufhin passiert natürlich genau das, was eigentlich allen Beteiligten von vornherein hätte klar sein müssen: Videos von dem gewaltsamen Rausschmiss werden über Social Media veröffentlicht, ein gigantischer Shitstorm folgt, Uniteds Mutterkonzern verliert Millionen von Dollar an Börsenwert, Passagiere drohen abzuwandern.
Erste Krisenreaktion macht alles noch schlimmer
United-CEO Oscar Munoz reagierte zwar schnell – nur leider sehr dilettantisch. In einem Twitter-Statement entschuldigt er sich zwar. Allerdings nur dafür, dass die vier Kunden nicht mitfliegen durften.
In einer internen E-Mail an United-Mitarbeiter (die selbstverständlich schnell ihren Weg in die Öffentlichkeit fand) versucht er dann sogar, die Schuld an dem Vorfall dem Passagier selbst in die Schuhe zu schieben, diffamiert ihn als streitsüchtigen Unruhestifter.
Lehren für das Reputation Management aus Runde 1:
- Eine halbherzige, unaufrichtige, ausweichende Entschuldigung macht alles nur noch schlimmer. Eine Entschuldigung funktioniert nur, wenn sie zum einen aufrichtig und glaubwürdig ist, und zum anderen wirklich Reue und Wille zur Besserung zeigt.
- Schreibe auch interne Nachrichten immer so, dass sie kein Risiko für die Reputation darstellen, wenn sie ihren Weg in die Öffentlichkeit finden sollten. Denn in kritischen Situationen werden sie das immer tun.
Neuer Angang: Doch noch die Kurve gekriegt
Irgendwann scheint irgendwer es aber doch noch irgendwie geschafft zu haben, CEO Oscar Munoz zur Einsicht und zum Umdenken zu bewegen. Denn einen Tag später folgt eine weitere, weitaus bessere Entschuldigung.
Munoz entschuldigt sich diesmal direkt bei dem misshandelten Passagier, dazu auch bei allen andern Gästen des Fluges. Er stellt unmissverständlich klar, dass mit niemandem so umgegangen werden sollte. Und er verspricht, dass United Airlines die Fehler in seinem System beheben und dafür sorgen wird, dass so etwas nie wieder passiert. Dafür solle alles auf den Prüfstand, was zu der Situation beigetragen hatte. Dazu gehört neben dem grundsätzlichen Umgang mit Überbuchungs-Situationen auch, wie Mitarbeiter zu ihren Einsatzorten transportiert werden und in welchen Fällen die Flughafen-Polizei hinzugezogen wird. Ergebnisse dieser Untersuchungen versprach er bis Ende April.
Und dieses Versprechen blieb kein leeres:
- Munoz selbst verzichtete auf eine eigentlich vertraglich vereinbarte Beförderung, die ihn zusätzlich zum CEO-Posten auch zum Leiter des Verwaltungsrates gemacht hätte.
- Die Summen, die United Airlines Passagieren als Anreiz bietet, bei Überbuchungen freiwillig auf den Flug zu verzichten, sollen auf bis zu 10.000,- US-Dollar steigen.
- Die Polizei soll nicht mehr hinzugerufen werden, wenn, wie in diesem Fall, gar kein Sicherheitsproblem besteht.
- Die Überbuchungen sollen zurückgefahren werden.
- Mitarbeiter sollen geschult werden, besser bei Konflikten mit Passagieren zu reagieren.
- Mitarbeiter, die als Passagiere an einen anderen Flughafen gebracht werden sollen, müssen fortan eine Stunde vor Abflug einchecken.
Darüber hinaus einigte sich United Airlines innerhalb kürzester Zeit auf einen Vergleich mit dem misshandelten Arzt. Über die Details wurde Vertraulichkeit vereinbart; aber offensichtlich war das Angebot so gut, dass die Anwälte des Arztes mit den Worten zitiert werden, Munoz hätte angekündigt, „das Richtige zu tun, und das hat er.“ Diese schnelle und offenbar zufriedenstellende Lösung des Streits war sehr klug – das nahm Druck vom Kessel. Sie bewies Einsicht und guten Willen seitens United Airlines. Und verhindert, dass das Opfer den Konflikt (zu Recht) weiter in der Öffentlichkeit anheizt.
Ergebnis? Im Mai legte die United Continental Holdings Aktie wieder kräftig zu – und liegt inzwischen deutlich über ihrem Wert vor der Krise.
Fazit:
United Airlines hat zunächst eine schon schwere Krise durch dilettantisches Krisenmanagement noch verschlimmert. Es drohte ein langanhaltender Schaden an der eigenen Reputation. Doch durch einen schnellen Strategiewechsel hin zu einem professionellen Reputation Management gelang United Airlines ein Befreiungsschlag: Durch die letztendlich glaubwürdige Entschuldigung und die konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der krisenauslösenden Probleme und die gütliche Einigung mit dem verletzten Passagier konnte die Fluggesellschaft ihre angeschlagene Reputation wieder herstellen und erheblichen wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abwenden.
Um diesen wieder hergestellten Ruf langfristig zu halten, muss United Airlines die versprochenen Maßnahmen nun konsequent durchziehen und mit einem engen Monitoring nach zukünftigen Reputationsrisiken Ausschau halten. Ebenfalls empfiehlt sich, Abläufe und Maßnahmen für künftige Reputationskrisen in einem Krisenhandbuch zu definieren, um beim nächsten Fall schneller und gleich richtig reagieren zu können.
Roland Heintze
Derweil, bei Mediengau: In Die 10 goldenen Regeln der Krisen-PR fasst Jörg Forthmann zusammen, was gegen Kommunikationskrisen wirklich hilft.