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Jetzt neu bei Amazon: Zinsgünstige Immobilienkredite!

Warum zwei Milliarden Dollar für bezahlbaren Wohnraum nicht automatisch zu einem Reputationsgewinn führen

Ein Großunternehmen gibt Milliardenbeträge für Wohnungen und Häuser für einkommensschwache Familien aus. Das muss doch auf jeden Fall zu einer goldenen Reputation führen?

Obwohl das auf den ersten Blick nach einer rhetorischen Frage klingt, lautet die Antwort tatsächlich: Kommt drauf an. Das kann auch kräftig nach hinten losgehen. Details entscheiden über Erfolg oder Misserfolg.

Der Fall: Amazon hat einen zwei Milliarden Dollar schweren Fonds für bezahlbaren Wohnraum aufgelegt. Mit dem Geld will der Online-Gigant sicherstellen, dass sich Familien mit niedrigem bis mittlerem Einkommen dort ein Dach über dem Kopf leisten können, wo Amazon seine Haupt-Standorte hat. Gemeint sind nicht Versandzentren, sondern die Sitze der Unternehmensverwaltung: Die Region um den Pugetsund inklusive Seattle und Bellevue, Nashville in Tennessee sowie Arlington County in Virginia, wo Amazons gehyptes „HQ2“ entsteht.

Diese Orte haben ein gigantisches Gentrifizierungsproblem. Kaufpreise für Immobilien und Mieten schnellen in die Höhe. Folge: Viele alteingesessene Bürger können sich das Leben in ihrer Heimatstadt nicht mehr leisten. Obdachlosigkeit greift in bisher ungeahntem Maße um sich. Eine Folge von Zuzug und Wachstum finanzstarker Hightech-Firmen. Nicht nur, aber an vorderster Front Amazon. Denn an diesen Standorten werden zu tausenden insbesondere gutverdienende Hochqualifizierte beschäftigt. Normal- und Geringverdiener leiden eher unter dem Boom, anstatt davon zu profitieren.

Kein einfaches Umfeld für die Amazon-Milliarden. Da hilft ein Blick in die Theorie des Reputationsmanagments: Wie eine Firma ihre eigene Corporate Social Responsibility konkret am besten erfüllen kann, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Sinnvolle CSR-Projekte sollten aus einer von zwei Leitfragen geboren werden:

Erstens: Was können wir besser als andere – und wie können wir diese Fähigkeiten und Stärken für Menschen einsetzen, die Hilfe benötigen?

Zweitens: An welcher Stelle hat unsere Unternehmenstätigkeit negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt – und wie können wir diesen entgegenwirken?

Amazons Housing Equity Fund fällt klar in die zweite Kategorie – also prinzipiell in die richtige Richtung gedacht.

Das allein reicht aber nicht aus. Um tatsächlich reputationsförderlich zu wirken, muss noch eine weitere Bedingung erfüllt sein: Die Aktion muss tatsächlich einen entscheidenden Unterschied machen. Bei Umweltthemen würde es heißen: Bloß kein Greenwashing!

Und hier wird es für Amazon hakelig. Zwei Milliarden Dollar klingt fürs Erste natürlich nach viel Geld. Allerdings verteilt sich diese Summe auf drei dicht besiedelte Regionen und mehrere Jahre. Und wird zum Teil nur in Form von Darlehen mit günstigem Zinssatz ausgezahlt.

Außerdem steht Amazon nicht nur als Auslöser von Wohnraumkrisen in der Kritik. Sondern auch für seine bisherigen Reaktionen auf Versuche, dieser Herr zu werden.

Beispiel: 2018 führte Seattle eine – im Angesicht von Amazons sagenhaften Umsätzen und Gewinnen moderate – Steuer auf Großunternehmen ein, deren Erlöse zur Bekämpfung der Wohnraum- und Obdachlosenkrise eingesetzt werden sollten. Dagegen wehrte sich der Konzern nicht nur mit Händen und Füßen, sondern auch mit beispiellos viel Geld. Erfolgreich: Nur einen Monat nach ihrer Einführung wurde die Steuer wieder abgeschafft. Amazon sparte so ein paar Millionen, verlor dafür aber weiter an Reputation. Eine Stadträtin bezichtigte Amazon sogar der Erpressung.

Jetzt will sich Amazon als Vorkämpfer für bezahlbaren Wohnraum präsentieren. Das wirft die Frage auf: Warum hat sich der Konzern dann der neuen Steuer so massiv widersetzt? Der Summe, die das selbst in der Corona-Krise hochprofitable Unternehmen jetzt zur Bekämpfung der Wohnungsnot in Seattle einsetzt, steht ein (größeres?) Loch in der Stadtkasse gegenüber, das Amazon vorher selbst dort hineingerissen hat. Zumal Amazon schon lange für seine ausgefeilten Steuervermeidungsstrategien in der Kritik steht – auch seitens dadurch benachteiligter Unternehmen.

Im Angesicht dieser Vorgeschichte haben Experten die Auswirkungen von Amazons Wohnraumförderungsprogramm auf Seattle genauer unter die Lupe genommen. Ihr Urteil ist wenig schmeichelhaft: Es sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. In Anbetracht der hohen Gewinne und seiner Auswirkung auf den Wohnungsmarkt könne man von Amazon deutlich mehr erwarten. Sie sehen darin weniger einen ernsthaften Ansatz zur Problemlösung, als mehr bloße Imagepflege und eine PR-Maßnahme, um von der niedrigen Steuerlast und anderen Geschäftspraktiken abzulenken.

Das zeigt: Einfach eine Summe auf das Problem schmeißen, die gerade noch so in der Portokasse rumliegt bzw. als Kredit gewährt werden kann – das reicht nicht, damit Amazons Engagement für bezahlbaren Wohnraum ernst genommen wird und sich positiv auf die Unternehmensreputation auswirkt.

Für einen wirklichen Reputationsboost müsste der Konzern den Umfang seines Engagements an der Größe des Problems orientieren. Faktenbasiert den Bedarf und die eigene Verantwortung dafür ermitteln, um dann eine Summe zu investieren, deren Höhe überzeugend begründet werden kann. Das geht am besten in Kooperation mit den Betroffenen und zuständigen Politikern vor Ort. Meine Prognose: Zwei Milliarden werden da bei weitem nicht reichen, aber vielleicht von allen Beteiligten als hilfreicher Schritt empfunden, wenn es gut gemacht ist.

 

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

 

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