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Ein Tweet geht um die Welt

VW-CEO legt sich auf Twitter mit Elon Musk von Tesla an – riskiert er damit seine Reputation?

Volkswagenchef Herbert Diess ist jetzt auf Twitter. Im ersten Tweet startet der VW-CEO gleich mit einem Seitenhieb auf Tesla und Elon Musk:

 

Die Presse reagiert prompt – und weltweit. Die Titelzeilen klingen auf den ersten Blick wenig charmant:

Volkswagen CEO joins Twitter and immediately trolls Tesla and Elon Musk (CNN Business)

VW CEO Talks a Little Trash With Tesla’s Musk in Twitter Debut (Bloomberg)

Twitter: VW-Chef Diess macht Ansage an Elon Musk (Computer Bild)

Provokante Premiere (Teslamag)

VW CEO is officially on Twitter and immediately trolls Elon Musk with first-ever tweet (The South African)

Volkswagen’s boss just threw shade at Elon Musk via Twitter (Top Gear Philippines)

Sehen wir hier einen globalen Social-Media-Fail? Ruiniert Diess mit seinem ersten Tweet seine Reputation in den Sozialen Medien?

Nein.

Stumpfe Beleidigungen und Hasstiraden über Social Media zu verbreiten, ist natürlich eine ganz schlechte Idee für Reputation und Geschäft. Aber „Ich will Dir Marktanteile abjagen – und in einigen Märkten liegen wir schon vorn“ ist zwar durchaus kampfeslustig und herausfordernd, dabei aber sachlich und zivil. Diess tritt keine Schlammschlacht los – sondern eine Kontroverse. Und das ist eine gute Idee.

Denn Soziale Medien dienen nicht der Einbahnstraßen-Kommunikation – sondern dem Dialog mit den Stakeholdern. Langweilige, aalglatte Marketing-Aussagen, die garantiert nirgendwo anecken, können keine lebhafte Diskussion anregen. Provokante Posts hingegen schon – solange sie dabei sachorientiert und grundsätzlich respektvoll bleiben, ohne den eigenen Ruf zu schädigen. Im Gegenteil: Reputation verlangt eben auch Profil.

Und so erweist sich Diess‘ Debüt-Tweet als gelungener Start für den Twitter-Account des Konzernlenkers. Auch in den Augen der Autoren der oben zitierten Artikel. Denn wie der Seitenhieb auf Tesla im Tweet, dienen die etwas reißerischen Überschriften in erster Linie dazu, Aufmerksamkeit zu wecken. Ist die erst einmal auf die Texte gelenkt, finden sich darin lobende Worte für die Social-Media-Fertigkeit des VW-Chefs. Und viele Autoren nehmen das auch gleich zum Anlass, einen genaueren Blick auf Volkswagens Performance im Markt für Elektro-Automobile zu werfen. Und dabei kommen die Wolfsburger durchaus gut weg.

Beispiel CNN Business: Senior Writer und Automobilindustrie-Experte Chris Isidore urteilt, der VW-Chef „made a splash with his very first tweet“. Und fährt fort:

„Volkswagen Group […] has made a major push on electric vehicles, selling more of them than any other traditional automaker. Last year it sold 231,600 pure electric vehicles, slightly less than half of the 500,000 cars sold by Tesla, but more than triple VW’s electric vehicle output in 2019. Meanwhile Tesla (TSLA) is building a factory in Germany to increase its European sales, but VW has jumped to the lead in electric vehicles in many European markets.“

Auch die Resonanz innerhalb des Twitterversums kann sich sehen lassen. Diess‘ Twitter-Gemeinde wuchs innerhalb weniger Tage auf mehr als 20.000 Follower. Der Einstands-Tweet selbst erntete mehr als 1.000 Antworten. Auch wenn sich der Münchner Merkur in „User lästern: „Lass Hirn regnen, peinlich, Diess dissed“ auf die negativen darunter konzentriert – die weite Mehrheit fällt positiv oder konstruktiv aus.

Nicht geantwortet hat (bislang) Elon Musk selbst, der sonst nur schwer vom Twittern abzuhalten ist (und dort zwischen vorbildlich und geschäftsschädigend hin- und herpendelt). Dafür aber das anscheinend einzige weitere twitternde Vorstandsmitglied von Tesla. Hiromichi Mizuno fragt sich: Ist das wirklich ein Deutscher*, der da so frech twittert?

 

Die Verwunderung ist nicht verwunderlich: Aus der Vorstandsetage eines DAX-Unternehmens kommend ist das tatsächlich ungewöhnlich. Die Social-Media-Aktivitäten von DAX-CEOs fahren in Studien immer wieder miese Noten ein. In diesem schwachen Feld mischte Diess aber immerhin schon bisher vorne mit – und strengt sich jetzt sichtlich an, Anschluss an das internationale Feld zu finden.

Mühe, die sich lohnt: Mit einem Zwitschern hat Diess rund um den Erdball VWs Elektromobilitäts-Strategie und -Erfolge in die Presse gebracht und dazu noch Buzz und Lob in den Sozialen Medien geerntet. Mit harmlosem und profilfreiem Marketing-Blabla wäre das nicht gelungen.

Das sollte Diess‘ aber nicht zum Anlass nehmen, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Der Post mag ein gelungener Twitter-Einstieg gewesen sein. Aber ein einzelner Tweet macht noch keine erfolgreiche Social-Media-Strategie.

 

Roland Heintze
www.reputationzweinull.de

 

* Tatsächlich: Nein. Denn obgleich er in München geboren wurde und sein Lebenslauf keinen längeren Aufenthalt in der Alpenrepublik nahelegt: Diess ist Österreicher.

 

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