Déjà-vu: Nivea-Werbung provoziert Rassismus-Vorwürfe – mit vorbeugendem Reputation Management wäre das nicht passiert
„White is Purity“. Für viele eine Parole, die sie vom Ku-Klux-Klan erwarten würden. Für Nivea ein prima Slogan für eine Deodorant-Werbung. Also rauf damit auf die Rückenansicht einer aschblonden Frau im weißen Bademantel, auf Facebook gepostet – was kann da schon schief gehen?
Natürlich alles. Mutmaßlich etwas betriebsblind dachte jemand in der Marketing-Abteilung von Beiersdorf wohl, dass jedem Betrachter bei „weißer Reinheit“ sofort klar sein würde: Gemeint ist die Farbe der Kleidung. Denn eigentlich sollte die Kampagne hervorheben, dass das „Invisible“-Deodorant von Nivea keine farbigen Spuren auf weißer (und schwarzer) Kleidung hinterlässt. Gerichtet war der Post an Kunden im mittleren Osten, wurde von Nivea auf der für diesen Markt gedachten Facebook-Seite der Marke verbreitet.
Aber da blieb das Bild natürlich nicht. Die Werbung machte weltweit die Runde in den Sozialen Netzwerken – und wurde überwiegend als rassistisch empfunden und kritisiert. Na ja, nicht nur kritisiert: In rechtsextremen US-Facebook-Gruppen erfreute sich die Werbung außerordentlicher Beliebtheit. Geschmacksprobe: „We enthusiastically support this new direction your company is taking. I’m glad we can all agree that #WhiteIsPurity”. Globaler Shitstorm und Lob von der falschen Seite gleichzeitig – nicht gut für die Reputation.
Immerhin: Beiersdorf erkannte den Fehler, löschte den Post, entschuldigte sich dafür und bezog in der Entschuldigung auch klar Stellung gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung.
Reputation Management bei Nivea: Die Abrechnung
Der Fall zeigt exemplarisch die Stärken und Schwächen von Beiersdorfs Reputation Management, die sich ähnlich bei vielen Konzernen finden lassen.
Gut lief: Die Krisenreaktion. Das Zurückziehen der Anzeige war folgerichtig, die Entschuldigung war gut und zielführend formuliert, traf die richtigen Punkte und erfolgte zeitnah.
Katastrophal lief: Alles vorher. Denn beim Reputation Management geht es nicht nur darum, kurzfristig auf rufschädigende Krisen zu reagieren. Sondern vor allem darum: Mögliche Reputationsrisiken frühzeitig identifizieren und eliminieren, bevor es überhaupt zur Krise kommt.
Nivea hatte die rassistischen Konnotationen seiner Kampagne entweder nicht wahrgenommen, oder angenommen: Das ist ein US-Thema, im mittleren Osten fällt das nicht auf. Beides kurzsichtig.
Im Zeitalter von Internet und Globalisierung ist es naiv, anzunehmen, dass die Wahrnehmung von Kampagnen auf eng begrenzte, geografische Räume beschränkt werden könnte. Bei der Suche nach potenziellen Reputationsrisiken muss deshalb nicht nur die Lieferkette des Unternehmens mit einbezogen werden. Sondern in weltweit verzweigten Konzernen auch die regionalen Niederlassungen.
Es liegt in der Verantwortung der Konzernspitze, dafür Sorge zu tragen, dass die Verantwortlichen für jeden Markt ihre Marketing-Kampagnen frühzeitig auf potenzielle Risiken für die Reputation abklopfen. Was im vorliegenden Fall auch nicht schwer gewesen wäre. Dass die Parole „Weiß ist Reinheit“ breite Teile der Öffentlichkeit zuerst an den am Rassen-Reinheitswahn erkrankten „White Supremacists“ denken lässt, sollte schon beim ersten kritischen Blick auffallen.
Zumal Nivea in dieser Hinsicht schon ein gebranntes Kind ist: Vor wenigen Jahren spielte sich nämlich fast die gleiche Geschichte schon einmal ab. Damals forderte Nivea in einer Anzeige schwarze Männer auf, sich zu „re-zivilisieren“. Auch in diesem Fall wurde die Anzeige zurückgezogen, und Nivea entschuldigte sich mit fast den gleichen Worten wie im aktuellen Fall.
Glaubwürdig ist so eine Entschuldigung auf lange Sicht aber nur, wenn das Unternehmen anschließend beweist, dass es seine Lektion gelernt hat. Wenn also auf die Krisenreaktion ein wirksames, vorbeugendes Reputation Management folgt. Geschieht dies nicht, wird sich nicht nur der Fehler immer wieder wiederholen – die Entschuldigungen werden die Öffentlichkeit auch mit jedem Mal weniger überzeugen.
Roland Heintze
Derweil, bei Faktzweinull: Investitionen in Corporate Social Media kommen ins Rollen, aber nur die Hälfte des Social-Media-Budgets landet in der PR.